Leben/Gesellschaft

Männer erzählen: Wenn Papa daheim bleibt

"Jeder Mann, der in Karenz geht, ist ein Rollenvorbild"

Der Mann arbeitet voll und die Frau kümmert sich hauptsächlich um die Kinder. So sieht das gängige Familienmodell in unserem Kulturkreis aus. Verena Florian, Unternehmerin und Coach, ist überzeugt, dass Männer und Frauen davon profitieren können, wenn sie einge prägte Rollenbilder verlassen. Und sie hat ein Buch darüber geschrieben (Buchinfos unten).
 
KURIER: Was braucht es, damit mehr Männer in Karenz gehen?

Verena Florian: Rollenvorbilder. Jeder Mann, der in Karenz geht, ist ein solches. Ich habe für mein Buch einen Mann interviewt, der das als Erster in einer großen Institution gemacht hat. Die anderen Männer haben dann gesagt, dass sie das auch gemacht hätten, wenn sie das gewusst hätten.

Was sind die Hürden?
Es braucht Mut und Chefs, die Verständnis haben. Wenn Männer ein Sabbatical machen, werden sie bewundert. Warum nicht, wenn sie in Väterkarenz gehen? Das verstehe ich nicht.    

Soll der Staat eingreifen?
Ja, es geht meiner Ansicht nach nicht anders, weil die traditionellen Rollen in unserer Gesellschaft so tief sitzen. Wenn wir wollen, dass Frauen dieselben Chancen haben wie Männer, muss der Staat regulierend eingreifen.

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PR-Manager tauscht Büro gegen Spielplatz

Fabio Tiani findet: Männer in Karenz werden mehr bewundert als Frauen.

Genau seit einer Woche ist Fabio Tiani wieder zurück an seinem Arbeitsplatz. Der PR-Manager hatte seinen Bürojob gegen Zeit mit seiner Tochter Sara eingetauscht. Acht Monate war er in Karenz.

"Es war für mich klar, dass ich auf jeden Fall eine Zeit lang bei meiner Tochter zuhause sein möchte", sagt der 31-Jährige. "Es war im Familien- und Freundeskreis auch keine Überraschung, dass ich in Karenz gehe. Ich bin sehr kinderverrückt. Auch für meinen Vorgesetzten war es absehbar, die Frage war nur wie lange." In seinem Unternehmen war es kein Problem, dass er  längere Zeit ausfällt.

ElternteilzeitMittlerweile ist der PR-Manager  in Elternteilzeit und arbeitet 30 Stunden die Woche. Seine Frau ist Ärztin und arbeitet Vollzeit. Vier Tage in der Woche ist Sara bei einer Tagesmutter. "So sehr ich die Zeit zuhause genossen habe, so sehr  habe ich mich auch wieder auf eine intellektuell fordernde Aufgabe gefreut", sagt Tiani.

Die unmittelbare Belohnung bekomme man zuhause jedoch mehr als im Büro. "Jede schlaflose Nacht und jeden Schreikrampf vergisst man automatisch, wenn es dem Kind wieder gut geht und es das auch zeigt. Das hast du im Arbeitsalltag selten", erzählt Tiani.

Kaum HürdenDem jungen Niederösterreicher stellten sich bei seiner Entscheidung kaum Hürden in den Weg. Weder im Unternehmen noch in der Familie war es ein Problem, was aber  eher die Ausnahme ist. Für Tiani braucht es, wie in allen Bereichen, in denen ein Ungleichgewicht der Geschlechter herrscht, Role Models. "Je mehr Leute zeigen, dass es geht, desto eher trauen sich auch andere, diesen Schritt zu wagen", hofft der 31-Jährige.

Bis heute wird es in manch männerdominierten Kreisen eher negativ aufgefasst, wenn Männer in Karenz gehen. Auf den Spielplätzen, wo sich Fabio Tiani nun herumtreibt, ist es genau andersrum. "Als Mann wirst du angehimmelt, wenn du irgendwo mit einem Kind auftauchst. Meiner Kollegin, die das Gleiche macht,  wird weniger Wertschätzung entgegengebracht", sagt Tiani. Er weiß nun, wie viel Arbeit hinter dem Elternalltag steckt. Und diese Szenen haben ihm mehrmals verdeutlicht, dass Frauen dafür zu wenig Anerkennung bekommen.

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Kinderbetreuung in Vollzeit – ohne Befristung

Karl Machacek ist seit rund acht Jahren zuhause bei seinen Söhnen.

"Full Time Dad" – auf Deutsch "Vollzeitpapa": So lautet der Jobtitel, der auf der Visitenkarte von Karl Machacek steht. Seit rund acht Jahren ist es dem Wiener damit sehr ernst. Machacek war 57 Jahre alt und über 30 Jahre erfolgreich bei einem internationalen IT-Unternehmen tätig, als sich er und seine Frau dazu entschieden, ein zweites gemeinsames Kind zu bekommen. 
Nachdem seine Frau beim ersten Kind in Karenz gegangen war, wollte dieses Mal er beruflich zurückstecken.

Machacek traf mit seinem Chef die Vereinbarung, mit 30 Prozent seines Gehalts und einer Firmenpension für wenige Stunden weiterzuarbeiten, um sich fortan um seine beiden Söhne kümmern zu können. Seine Frau ging Vollzeit arbeiten. Diese Rollenverteilung ist bis heute aufrecht, wobei der 65-Jährige mittlerweile in Pension ist und die Söhne acht und zehn Jahre alt sind.

Schon  in erster Ehe, aus der ebenfalls zwei Kinder hervorgegangen sind, hat Machacek versucht, "so gut es ging, Zuhause mitzuarbeiten" und seiner Frau Freiräume zu schaffen. Er sei damals aber beruflich  viel unterwegs gewesen – auch im Ausland – und habe sich auf seine Karriere konzentriert. Nach dem Tod seiner ersten Frau habe er keine Ambitionen gehabt, neu anzufangen. Doch dann lernte er seine heutige Frau kennen, die um einige Jahre jünger ist als er, und Kinder wollte. "Ich habe Kinder immer gern gemocht, deswegen hatte ich nichts dagegen einzuwenden", erzählt Machacek. Mit dem zweiten Kind entschied er sich  –  wie  er  sagt  – für das "volle Programm". Seitdem führt er den Haushalt, bringt die Kinder in die Schule und holt sie ab und plant Freizeitaktivitäten mit ihnen. Das könne mitunter anstrengend sein, halte ihn jedoch jung.

"Es gab schon auch Menschen, die mich fragen, warum ich mir das antue", erzählt Machacek. Auch den Vorwurf, er sei kein Mann, weil er sich um die Kinderbetreuung kümmert, bekomme er manchmal zu hören. "Meine Antwort darauf ist das Angebot, doch einmal zu tauschen." Seitdem er mit seiner Frau die Rollen getauscht hat, habe er noch mehr Ehrfurcht vor dem, was zumeist Frauen im Alltag leisten; allen voran vor  Alleinerziehenden, die zum Großteil weiblich  sind. "Ich weiß wirklich nicht, wie sie das schaffen", sagt Machacek. Auch wenn er manchmal vor Erschöpfung schon während der Zeit in Bild 1 einschläft, rät er jedem Vater  zur Karenz. "Jedem, der es nicht macht, entgeht sehr viel. Ich würde es auf jeden Fall wieder so machen."

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Vom Elektriker zum Vollzeit-Papa und Hausmann

Klaus H. hat seinen Job gekündigt, um sich um seine Familie kümmern zu können.

Als Hemma, das erste Kind von Klaus und Christiane H. zur Welt kam, ging Klaus H. zehn Monate in Karenz. Knapp sieben Jahre und zwei weitere Kinder später ist er immer noch daheim, ganz Vater und Hausmann. Und für ihn sei es der coolste Job der Welt. "Job ist eigentlich der falsche Ausdruck. Es ist eher eine Lebenseinstellung, dass du die Kinder aufziehst und ihnen Sachen zeigst", erzählt Klaus H.. Dass er bei den Kindern zuhause bleiben kann, sei für ihn ein großer Wunsch gewesen. "Ein Wunsch, den mir eigentlich meine Frau erfüllt hat."

"Ich wollte zuerst Teilzeit wieder zurückkommen. Aber da sind wir nicht ganz zusammengekommen und haben uns dann auf eine einvernehmliche Trennung geeinigt", erzählt der 46-Jährige. Daher hat er nach den zehn Monaten Karenz seinen Job gekündigt und ist anschließend ganz zuhause geblieben.

Klaus H. arbeitete als Elektriker in einem großen Betrieb. Der Arbeitgeber wollte, dass er nach der Karenz wieder Vollzeit einsteigt. "Natürlich ist es für den Betrieb besser, wenn jemand ganz da ist. Aber das wäre nicht gegangen, weil Christiane ja auch den ganzen Tag auf der Arbeit ist", erzählt der Tiroler.

Er habe schon 25 Jahre lang gearbeitet, seine Frau sei jedoch erst am Anfang ihrer Karriere gestanden. Sie habe gerade erst die Leitung eines Pflegeheimes übernommen. "Christiane hat auch mehr verdient. Das kommt natürlich auch dazu. Aber das war eigentlich gar nicht so wichtig", sagt Klaus H..

Hemma war sieben Monate alt als Klaus H. die Betreuung übernommen hatte. "Das war schon sehr spannend damals. Weil das doch komplett etwas Anderes ist, wenn du als Mann dann ganz zuhause bist. Als Frau hast du doch noch eine Brust und immer eine Milch dabei. Als Mann musst du schauen wie du zurechtkommst", erzählt der Tiroler. Er sei oft zu ihr in die Arbeit gefahren, dass sie Hemma stillen kann.

Für die beiden war von Anfang an klar, dass einer von ihnen bei den Kindern zuhause bleiben wird, auch über die Karenzzeit hinaus. Ob das nun die Frau oder der Mann ist, spielte keine Rolle. "Insgeheim habe ich schon damit gerechnet, dass es vielleicht sogar ich bin der daheim bleibt," sagt Klaus H. und lacht.

Die Väterkarenz zu nutzen ist heutzutage noch immer eine Seltenheit. Für Klaus H. gibt es dafür mehrere Gründe. Einerseits seien die finanziellen Einbußen für viele abschreckend und andererseits müssten Arbeitgeber offener gegenüber dem Thema werden und es müsse gesetzlich besser geregelt sein. Doch die größte Hürde sei für ihn der Wille. "Die Menschen müssen es mehr wollen. Wenn ich das will, dann ist das auch machbar", sagt er.

"Es ist natürlich eine Wahnsinns-Herausforderung ein Kind zu übernehmen, aus dem Beruf herauszugehen – das ist natürlich eine komplette Umstellung. Und das wollen viele nicht. Die wollen ihr Männerdasein. Es ist sehr weiblich, wenn du zuhause bleibst und das schreckt viele ab", sagt der Familienvater. Ans Herzen legen, kann er es trotzdem jedem Mann: "Es tut jedem Mann gut, wenn er das mal mitmacht und sieht wie viel Arbeit das eigentlich ist. Ich habe früher immer darüber gelacht. Aber jetzt habe ich mehr Arbeit als früher auf der Arbeit. Aber schönere."

Minderheit im "Papamonat"

Im Dezember 2018 waren laut Statistik Austria 119.476 Frauen und 4773 Männer in Karenz; d.h. nur 3,8 Prozent der Bezieher von Kinderbetreuungsgeld waren männlich.

Bundesbedienstete haben Rechtsanspruch auf einen "Papamonat" – eine unbezahlte berufliche Auszeit nach der Geburt. Väter können den "Familienzeitbonus" beantragen, wofür es (bei Einstellung aller Erwerbstätigkeiten) für ein Monat rund 700 Euro von der Krankenkasse gibt. Der Arbeitgeber muss mit der Vereinbarung einverstanden sein.

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Verena Florian: „Mut zum Rollentausch – 50 erfolgreiche Frauen und Männer in Väterkarenz erzählen“
Falter Verlag. 264 Seiten. 22,90 Euro.