Wie das Vertrauen in die Wissenschaft gestärkt werden kann
Von Ute Brühl
„Wir müssen den Menschen vermitteln, was Wissenschaft der Gesellschaft bringt und was dem einzelnen“, fordert der Virologe Andreas Bergthaler (MedUni Wien) bei einer Diskussion zum Thema Wissenschaftsskepsis am Dienstag. Teilgenommen haben Forschende aus verschiedenen Disziplinen.
Hintergrund: Das Vertrauen in die Wissenschaft ist in Österreich so gering wie in fast keinem anderen EU-Land. Rund ein Drittel vertraut der Wissenschaft wenig oder gar nicht. 37 Prozent setzen lieber auf den „gesunden Menschenverstand“ als auf die Forschung und gut die Hälfte sieht Wissenschaft als Teil der Eliten, die von oben herab, aus dem Elfenbeinturm, kommunizieren – an den Sorgen und Bedürfnissen „des Volkes“ vorbei.
Dabei können ohne wissenschaftliche Erkenntnisse die großen Krisen unserer Zeit nicht bewältigt werden, allen voran die Klimakrise. Für Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik (BOKU Wien) tragen manche Politiker zur Wissenschaftsskepsis bei, wenn sie mit dem „Hausverstand“ argumentieren und so unterstreichen, dass es für ihren Standpunkt keine wissenschaftliche Expertise brauche. Es sei für Forschende dann oft schwierig, mit Botschaften durchzukommen, „weil die Politik angenehme Märchen erzählt – etwa dass Österreich Vorreiter im Klimaschutz ist, oder dass wir die Probleme mit Technik lösen können“ . Steurer sieht seine Aufgabe darin, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Realität eine andere ist. „Die physikalische Realität kann man nicht mit dem Hausverstand aushebeln“, gibt er zu bedenken.
Grenzen dicht
Auch im Bereich der Migration gebe es viele Mythen, die wissenschaftlich nicht haltbar sind, weiß Judith Kohlenberger (WU Wien): „Unsere Studien zeigen klar, dass es wenig bringt, einfach die Grenzen dichtzumachen – die Menschen suchen sich dann eben gefährlichere und oft teurere Wege nach Europa.“ Hier werde die Evidenz der Wissenschaft oft in Zweifel gezogen. „Ich wünsche mir keine Expertenhörigkeit der Politik, aber dass Politikerinnen und Politiker zuhören, also verstehen, was die Wissenschaft sagt und sich damit kritisch auseinandersetzen.“
Virologe Bergthaler will aber nicht nur auf die Politik schimpfen: „Wir sind als Forscher und Forscherinnen bisher darin gescheitert, das Thema so in die Breite zu bringen, dass dann entsprechende Politiker gewählt werden, die solche Perspektiven vertreten.“
Wer der Wissenschaftsfeindlichkeit die Grundlage entziehen will, der müsse bei den Jungen anfangen, meint der Virologe. Das war übrigens auch eine der Strategien, die in Portugal verfolgt wurden – die Portugiesen hatten vor zwanzig Jahren noch einen ähnlichen Blick auf die Wissenschaft wie die Österreicher. Das ist heute anders – kein Land sieht Forschung so positiv und hatte wohl auch deshalb eine der höchsten Impfquoten.
Doch Wissenschaftskommunikation gibt es nicht zum Nulltarif. Darauf wies Judith Kohlenberger hin: „Es wurde jetzt vom Wissenschaftsministerium das Projekt Trust in Science ins Leben gerufen, bei dem Wissenschaftsbotschafter in die Schulen gehen. Das können Forschende aber nicht in ihrer spärlichen Freizeit machen.“