Leben/Gesellschaft

Begrapschte Kellnerin: "Du hast kein Recht, respektlos zu sein"

Mit einem gezielten Griff an den T-Shirt-Kragen brachte eine US-amerikanische Kellnerin kürzlich einen Mann in einem Restaurant in der Stadt Savannah zu Fall. Die Szene, die den Handgreiflichkeiten der jungen Frau vorausgegangen war, zeigen Bilder der Überwachungskamera: Ein Mann in einem roten Shirt spaziert dicht an der Kellnerin vorbei und legt ihr im Vorbeigehen gezielt die Hand auf den Po. Daraufhin dreht sich die Frau ruckartig um und ringt den Grapscher zu Boden. "Du greifst mich nicht an", schreit sie dabei.

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Das Video, das den Übergriff im Vinnie Van Go-Go's im Bundesstaat Georgia zeigt, verbreitete sich vergangene Woche rasant im Internet. Wie zahlreiche Medien, darunter die New York Times und der Guardian berichteten, wurde der Mann, der als Ryan Cherwinski identifiziert wurde, von der Polizei gestellt, vor den Augen seiner Familie festgenommen und wegen sexueller Belästigung angeklagt.

"Es geht um Respekt"

Die 21-jährige Kellnerin namens Emelia Holden sprach am Wochenende mit der New York Times über den Vorfall, der sich bereits am 30. Juni ereignet hatte. Holden habe zahlreiche Zuschriften von Frauen bekommen, die ihr schilderten, dass sie das Video ihren Töchtern gezeigt hatten. Andere sprachen mit ihr über ihre eigenen Erfahrungen mit Belästigung und Übergriffen. Der Clip und Holdens Reaktion hätten sie dazu ermutigt, künftig bestimmter und selbstbewusster zu handeln.

Holden erzählte im Interview auch, dass es das erste Mal gewesen sei, dass sie von einem Kunden sexuell belästigt wurde. Die junge Frau arbeitet seit eineinhalb Jahren in der Pizzeria. Ihre Toleranzgrenze sei beim Verhalten von Kunden recht hoch, aber "solche Dinge, das geht gar nicht". Und weiter: "Für mich geht es um Respekt. Solange du mich respektierst, respektiere ich dich." Im Gespräch mit Inside Edition fügte Holden hinzu, dass niemand das Recht habe, sie so zu behandeln: "Es ist mir egal, wer du bist. Du hast nicht das Recht, mich respektlos zu behandeln."

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Dass der Übergriff im Vinnie Van Go-Go's von einer Überwachungskamera festgehalten wurde, ist kein Zufall. Die Kamera wurde installiert, nachdem ein Mann vor Kurzem andere Kellner angegriffen hatte. Als sie selbst den Übergriff erlebte, habe sie sofort Unterstützung von ihren Kollegen erhalten. Diese hätten den Mann umstellt, bis die Polizei eingetroffen war.

Täter-Opfer-Umkehr

Die Reaktionen im Netz hätten sie jedenfalls tief berührt: "Ich habe geweint, weil es mich so bewegt, was die Menschen sagen." Allerdings hätten sie auch kritische Kommentare bezüglich ihrer Bekleidung - sie trug Hotpants - erreicht: "Es gab viele positive Reaktionen aber auch einige, die sagten, 'deine Shorts waren zu kurz'", sagte Holden im Interview mit dem Lokalsender WTOC. Damit wurde auch sie mit der sogenannten Täter-Opfer-Umkehr konfrontiert. Bei dieser Form der Opferbeschuldigung, auch Victim Blaming genannt, handelt es sich um eine Verhaltensweise innerhalb der sogenannten Rape Culture (zu Deutsch: Vergewaltigungskultur), die sexuelle Gewalt und Vergewaltigung nicht nur weitgehend toleriert und duldet, sondern auch die Verhinderung von Vergewaltigungen den Opfern überträgt.

#MeToo in der Gastrobranche

Im Licht der #MeToo-Debatte über sexuelle Gewalt gegen Frauen werden auch die Missstände in der Gastronomie erstmals offen diskutiert. In Interviews mit der New York Times berichteten im März dieses Jahres über 60 Kellnerinnen und Barkeeperinnen über Belästigung und untergriffige Kommentare von Kunden.

Dass sexualisierte Gewalt gegen Frauen in der Gaststättenbranche ein massives Problem darstellt, bestätigt auch Holden: "Wir haben viel damit zu tun", sagt sie und bezieht sich damit auf Kolleginnen, die in der Vergangenheit bereits Opfer von Übergriffen wurden.

In Österreich gibt es keine genauen Statistiken, die belegen, wie viele Männer und Frauen in der Gastronomie sexuell belästigt werden. In den USA wurde hingegen bereits erhoben, wie weit verbreitet sexuelle Belästigung in der Gastronomie ist: In einer Untersuchung der Organisation "Restaurant Opportunities Center United" aus dem Jahr 2014 gaben 90 Prozent der befragten weiblichen Restaurant-Angestellten an, schon sexuell belästigt worden zu sein. Bei den männlichen Befragten war diese Quote etwa halb so hoch.

Eine US-amerikanische Restaurantchefin hat unterdessen konkrete Maßnehmen gegen Übergriffe unternommen: Um ihre Mitarbeiterinnen vor sexueller Belästigung zu schützen, hat Erin Wade, die im kalifornischen Oakland ein Restaurant betreibt, mit ihren weiblichen Angestellten ein Farbsystem entwickelt, mit dem sie signalisieren können, dass sie von Kunden belästigt werden und in welcher Intensität (mehr dazu hier).