Leben/Gesellschaft

Alan Turing: Code-Knacker und Ur-Nerd

Was macht er hier in Manchester? Das fragt ein Polizeibeamter gleich am Beginn des heute anlaufenden Hollywood-Streifens "Imitation Game – Ein streng geheimes Leben". "Er" ist Alan Turing, und die Antwort des zweiten Sergeanten zeigt, wie sehr der Visionär und Forscher von seinen Zeitgenossen gering geschätzt wurde: "Irgendwas mit Maschinen."

Diese Maschine, die so genannte "Turing-Bombe", mit der der Theoretiker tausende verschlüsselte Nachrichten der Deutschen Wehrmacht zu entschlüsseln vermochte, gilt als bahnbrechende Erfindung in der anbrechenden Computer-Ära, und ihr Konstrukteur als einer der größten Denker des 20. Jahrhunderts. Turings Technik half den Alliierten , über die Auswertung des Funkverkehrs die Position deutscher U-Boote zu orten und die Attacken auf Geleitzüge im Atlantik vorauszusehen. "Die Atlantikschlacht wurde nicht nur deswegen gewonnen, aber die Entschlüsselung war ein ausschlaggebendes Element", sagt der Historiker François-Emmanuel Brézet. Auch ein Ablenkungsmanöver vor dem D-Day geht auf Turings Konto.

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Was hat’s ihm genützt?

Seine Aktivitäten für den Geheimdienst blieben bis in die 1970er-Jahre unter Verschluss. Turings überragende Begabung wurde nach dem Krieg an der Entfaltung gehindert. 1945 zeichnet er Pläne, aus denen der erste moderne Computer hätte werden können, wenn das National Physical Laboratory ihm die nötigen Mittel bewilligt hätte. 1948 kündigte er die Entwicklung der künstlichen Intelligenz an. Sein Direktor tut diese Überlegungen als "Arbeiten auf Schülerniveau" ab. 1950 schrieb er eines der ersten Computerprogramme und das erste Schachprogramm. Kommentar seiner Kollegen: "Zeitverschwendung". Geschätzt wurde er von Seinesgleichen, wie etwa vom Bauingenieur Konrad Zuse, der 1938 einen mechanischen Rechner ("Z1") aus beweglichen Blechen gebaut hatte.

Wer hat’s erfunden?

Wolfgang Klas, Informatik-Dekan an der Uni Wien, warnt vor Personenkult. Die Frage, was wäre, wenn es Turing nicht gegeben hätte, beantwortet der Computer-Spezialist so: "Dann hätte irgendwann wohl ein anderer diese Ergebnisse erzielt. Man kann es aber auch so sagen: Wenn Turing diese Geistesblitze nicht gehabt hätte, gäbe es möglicherweise keine Computer im heutigen Sinn, und keine Smartphones, die auch nur Computer sind".