Ab in den Urlaub: Wann beginnt die Erholung?
Von Nina Horcher
Es sind wiederkehrende Bilder, die in die Ferne locken: weißer Sandstrand, endloses Meer. Sieht man sie, hebt der Kopf ab, gedanklich liegt man sofort in der Hängematte. Die Unterkunft ist mit einem Klick gewählt, mit dem nächsten ist der Flug gebucht. Beginnt die Erholung schon, wenn man sich schlürfend in der Hängematte sieht? Erst, wenn die Koffer gepackt sind? Oder wirklich erst auf dem Strand?
Ganz sicher beginnt die Vorfreude – allein sie kann schon die Stimmung verbessern, wie eine britische Studie bestätigt: Wer sich gerade mit der Planung eines Urlaubs beschäftigte, war glücklicher und mit seiner Lebenssituation zufriedener als Personen, die keine Auszeit in Aussicht hatten. Dass sich die Vorfreude auf ein Ereignis schon Tage oder Wochen zuvor positiv auf die Glückshormone auswirkt, wiesen Forscher der University of California sogar im Blut nach: Bei Menschen, die sich auf etwas freuten, stieg der Endorphin-Spiegel deutlich an, gleichzeitig wurden die Anzeichen für Stress verringert.
Entspannungsmodus
Abschalten, am Strand liegen und sich vom Berufsalltag erholen – dass ein solcher Ausgleich Körper und Geist gut tut, weiß man schon seit den 80er-Jahren. Die schwedische Psychologin Marianne Frankenhäuser stellte fest, dass in Zeiten des Urlaubs die Menge an Stresshormonen im Körper sinkt.
„Wie lange jemand braucht, um sich entspannen zu können, ist vom Biorhythmus abhängig und demnach bei jedem Menschen anders“, erklärt
Konrad Wolfgang Kallus, Professor für Psychologie an der Universität Graz und international bekannter Erholungsforscher.
Bei der Frage, ab wann die Erholung beginnt, mischen noch weitere Faktoren mit. Den nächsten Urlaub im Vorfeld gut zu planen, sei für eine entspannte Reise essenziell. „Vor allem die Art und Dauer der An- und Abreise haben Auswirkungen darauf, ob und wie lange wir uns gestresst fühlen“, erklärt der Wissenschaftler.
Wer erst zwei Langstreckenflüge hinter sich bringen muss, um anschließend im Indischen Ozean zu tauchen, sollte sich mehr Zeit nehmen als nur eine Woche: „Ich gehe davon aus, dass es nach einer längeren Anreise mindestens zwei, drei Tage dauert, bis sich der Körper an die neue Situation gewöhnt hat. Das Stresshormon Cortisol muss sich im Körper erst wieder eingependeln“, sagt Kallus. „Man kann sich das wie eine Schleuse vorstellen, die erst aus dem Alltag führt und danach wieder hinein.“ Wer im Entspannungsmodus angekommen ist, merkt das auch an seiner Mimik, meint der Forscher. Es klingt beinahe banal, aber: „Ein gutes Zeichen dafür ist, wenn man oft lacht.“
Energie tanken
Sind Körper und Geist entspannt, kann schließlich die richtige Erholungsphase eintreten, fährt Gerhard Blasche fort. Er forscht an der MedUni Wien, wie Erholungsaktivitäten gestaltet werden können. „Man muss zwischen Entspannung und Erholung unterscheiden. Entspannt ist man, wenn der Stress abfällt. Bei der Erholung geht es hingegen darum, dass sich der Körper tatsächlich regeneriert und seine Energietanks wieder auffüllt“, erklärt der Urlaubsforscher.
Oft könne das bereits bei einem Kurzurlaub geschehen, etwa wenn man sich ein verlängertes Wochenende eine Auszeit nimmt und wegfährt. Bei Fernreisen gibt er neben der An- und Abreise auch die Zeitumstellung und die Anpassung an das neue Klima zu bedenken. Es könne dauern, bis sich der Körper auf die neuen Gegebenheiten völlig einstellt.
„Die einen sterben ein wenig, wenn sie eine Reise antreten, die anderen leben auf. Nur wenige stehen dem Reisen gleichgültig gegenüber“, fasst es der Autor und Wissenschaftsjournalist Jacopo Pasotti in seinem Buch „Wohin weht der Wind? Wissenschaft für unterwegs“ ( Atlantik Verlag, 18,50€) zusammen. Sich mit dem Urlaub zu beschäftigen, bevor man sich die Sonne auf den Bauch scheinen lässt, ist also durchaus sinnvoll.