Wolf spricht Tirolerisch, vor dem "edlen Rausch" am Runden Tisch
Von Peter Temel
*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*
„Des Wetta wird schiach“, wenn Armin Wolf dienstagabends am Ende der „ZiB 2“ zu seiner Heimatsprache greift, dann muss etwas faul sein im Heiligen Land Tirol.
Nach den, brrr, kalten Wetteraussichten geht es weiter: „Und damit verabschied‘ma uns fia heit von ållen, die auf 3sat zuagschaug't håb’n. Danke fürs Interesse und an schönen Abend no ... aus Öschterreich.“
„Und jetzt werden wir wieder normal“, sagt er noch (den Link finden Sie unten).
Das sanftere Tirol
Normal heißt in diesen Tagen: Es geht bei Simone Stribl wieder um die mehrtägige Debatte zwischen Bund und Tirol um Maßnahmen gegen die südafrikanische Virus-Variante. Jetzt, wo der langersehnte finale "Rülpser" aus Wien gekommen ist, in Form einer Art landesweiten Sperrzone light mit Freitest-Option, sitzt das sanftere Tirol am virtuellen „Runden Tisch“.
Der grüne Tiroler Klubchef Gebi Mair, der schwarze Ex-EU-Kommissar Franz Fischler, ein Tiroler. Presse-Chefredakteur Rainer Nowak, laut Eigendefinition immerhin Halbtiroler. Den deutschen Blick aus Wien liefert die Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, Cathrin Kahlweit.
Zeit verloren
Einig ist sich die Runde ohne Tisch, dass die unsanften Wortspenden aus Tirol nicht nur dem Image des Landes Schaden zufügen, sondern auch den Bemühungen um eine Eindämmung der gefährlichen Mutation. Gebi Mair vergleicht es mit dem „Widderstoßen“ aus dem Zillertal, wo am Ende beide Kontrahenten verletzt am Boden liegen. Damit habe man „wertvolle Tage“ verloren. Auf regionaler Ebene könnte es auch noch schärfere Maßnahmen brauchen, um den Ring um die betroffenen Gebiete Zillertal und Bezirk Schwaz selbst enger zu ziehen.
Franz Fischler will dem Tiroler Landeshauptmann zwar keine Ratschläge erteilen, er kritisiert aber den „schlechten Stil“ der vergangenen Tage. Vor allem die Form der Argumentation sei schädlich gewesen, zum Teil aber auch der Inhalt, wenn man mit den Zahlen jongliert habe. Fischler sieht teilweise „Fake statt Fakten“, und: „Schlachten, die man nur verlieren kann, soll man gar nicht führen.“
Noch ein starkes Sprachbild von Fischler: Er sei gegen „Speed kills“, aber auch gegen „Slang kills“. Manche Kraftausdrücke aus Tirol seien „alles andere als höflich und alles andere als akzeptabel“ gewesen.
Günther Platter habe zu sehr dem innertirolerischen Druck nachgegeben, findet Rainer Nowak. Die Tiroler hatten zwar mehr zu ertragen als andere Teile Österreichs, aber es habe eben auch „einen Ort namens Ischgl“ gegeben. „Wenn man schon einmal in so einer Situation war, muss man sich halt besonders korrekt verhalten, wenn man das wettmachen will.“ Er sieht ein „Ischgl 2.0“ mit ähnlichen Erklärmustern. „Das ‚Wir haben alles richtig gemacht‘ kann ich gar nicht mehr hören“, sagt Fischler.
Skepsis aus Deutschland
Cathrin Kahlweit erinnert an den Streit um die Öffnung der Skilifte im Herbst. Da habe es sehr viel Skepsis aus Deutschland gegeben und es sei „die Überzeugung geblieben: Das war ein Fehler.“ In der aktuellen Debatte sehe man im Nachbarland auch ein „Verantwortungsversagen des Herrn Platter und seiner politischen Freunde nach innen.“ In dieser Situation gelte nicht, zu sagen „Wir haben alles im Griff“, sondern: „alles was man tun kann, tun, um eine mögliche Katastrophe zu verhindern.“ Mit der Widerstandsrhetorik sei auch die Bereitschaft der Tiroler, die Maßnahmen mitzutragen, geschwächt worden.
Der Grün-Politiker Mair kritisiert zwar Urlaube in Südafrika, der Eintrag der Variante sei aber wahrscheinlich anders erfolgt, Mair spricht von Hinweisen, die auf den Münchner Raum deuten. Aufgegriffen wird das nicht, auch nicht von der Vertreterin der Münchner Zeitung.
„Die Tiroler müssen jetzt liefern, sagt Fischler, der gut in Form ist. „Pseudo-Maßnahmen“ würden nicht reichen, um wieder Vertrauen herzustellen.
Der edle Rausch der Zukunft
Mair blickt auch in die Zeit danach: Er sehe einen breiten politischen Konsens in Tirol, dass man „diesen Après-Ski-Tourismus, den Sauftourismus“ nicht mehr haben will. „Wir können auch den edlen Rausch anbieten, der braucht keinen Alkohol, der kann die Natur erleben. Wir haben was zu vermitteln, Tirol ist ja ein tolles Land. Saufen kann man ja wirklich überall.“ Viele Tiroler Dörfer würden derzeit einen traurigen Anblick bieten, wie potemkinsche Dörfer, „aber Tirol wird sich wieder neu erfinden“, ist er überzeugt – nachdem „dieser Schas“ überwunden sei.
Fischler meint, diese Wintersaison müsse man abschreiben, es werde danach nicht gleich weitergehen. Daher brauche es ein Umdenken, das den „Lebensraum Tirol“ mit einbeziehe, und nicht neue Hoteldörfer.
Nowak meint, von einer Neuerfindung Tirols im Sinne eines sanften Tourismus höre er schon seit zwanzig Jahren, „aber es ist noch nie etwas passiert“, im Ziller- und Ötztal gehe es, im Gegenteil, „von Jahr zu Jahr gigantomanischer zu“.
Fischler: „Ich höre das auch schon seit zwanzig Jahren. Aber ich habe bewusst nicht den sanften Tourismus in den Mund genommen, und auch nicht den ‚edlen Rausch‘, weil ich gar nicht weiß, was das ist.“
Diese Diskussion brachte klare Worte, ohne Zank und Hader. Ein edler Debattenrausch sozusagen.