Kolumnen

Vea Kaisers fabelhafte Welt: „Ich liebe Polizei“

In jeder Krise gibt es Gewinner wie Verlierer. Von letzteren eklatant mehr als von ersteren, doch zwei Parteien habe ich als wahre Gewinner identifiziert: Den Nachbarn gegenüber und unseren Hund. Dieser Nachbar beschäftigt mich schon lange. Sein Auto ist mit herzförmigen Aufklebern übersäht; „Ich liebe Polizei“. Zunächst hielt ich das für einen cleveren Trick im Falle einer Verkehrskontrolle. Doch dann lernte ich, dass sein Lebensinhalt darin besteht, anderer Nachbarn Autos zu fotografieren und anzuzeigen, wenn sie in unserer verparkten, aber sehr breiten Straße kurz in zweiter Spur zum Ausladen halten.

Zurzeit blüht er auf. Er überwacht mit seinem Feldstecher den Abstand, vermummt hinter FFP3-Maske und Gesichtsschild.


Nicht die Polizei liebt er, sondern das Beobachten und Denunzieren von Mitbürgern. Zurzeit blüht er auf. Er überwacht mit seinem Feldstecher den Abstand, vermummt hinter FFP3-Maske und Gesichtsschild schreit er Eltern an, sobald die Kinder an ihrem Mundschutz zupfen, und Menschen, die kurz auf Banken rasten, brüllt er entgegen: „Verweilen im öffentlichen Raum ist verboten!“ Aber die Corona-Krise ist nicht nur die Hochzeit der Grätzlwächter, sondern auch der Haustiere. Mein Hund zum Beispiel, der einst ein fauler Langschläfer war, weckt mich tagtäglich um 6 Uhr auf, weil er kaum erwarten kann, was unser gemeinsamer Tag wohl bringt: Hundezone? Ballvergnügen? Kuschelstunden? Und so geht es wohl dem Großteil aller Haustiere: Endlich unlimitierte Aufmerksamkeit und Zuwendung.

Und das brachte mich auf eine Idee: Haustiere für alle Grätzlwächter! In den Tierheimen gibt es so viele Flauschis, für die niemand Zeit hat, während Grätzlwächter eindeutig zu viel Zeit haben. Viele menschenhassende Menschen mögen zudem Tiere. Und wenn das dazu führt, dass ein paar Vierbeiner glücklich werden, während die Zweibeinerbespitzelung abnimmt, dann hätten wir alle gewonnen. Und verloren haben wir alle in dieser Krise eh schon genug.

vea.kaiser@kurier.at