Kolumnen

Über den Tellerrand: Familienurlaub ist eine Schicksalsgemeinschaft

Manches im Leben bedarf einer extrem ausgewogenen Balance. In einem gewissen Alter bedarf es zum Beispiel eines präzisen Maßes an Bewegung: Einerseits will man aktiv bleiben und seinen bestmöglich zu verwaltenden Körper mobilisieren, andererseits leidet man unter zu viel Sport oft tagelang. Ähnlich verhält es sich mit Schlaf, kein Mensch versteht, warum man fix und fertig aufwacht, wenn man zu viel davon genommen hat. Weitere Lebensgrenzgänge sind Kochen (Ist das zu mild?), Kleidung (Ist das zu kurz?), Einparken (Ist der zu klein?) oder das Wiedergeben von Witzen (...).

Am sensibelsten ist das Halten der Balance bei Eltern- Kind-Urlauben. Das wird einem jetzt vor dem Sommer und eine Woche vor dem Vatertag sonnenklar. Es gilt allgemein das Credo, dass Familienreisen allen gefallen müssen. Daran kann man, wie an fast allem, in dem das Wort allen steckt, eigentlich nur scheitern. Anfangs scheitern die Eltern, wenn sie sich mit ihren Babys bis Kleinkindern auf Urlaube einlassen, die kein nüchterner Mensch je nur für sich buchen würde. So ertragen sie dann Animateure am Pool oder Bällebäder, bei denen sie wirklich alle Hygienedogmen, die sie sonst für ihren Nachwuchs aufgestellt haben, vergessen.

Später scheitern dann irgendwann die Halbwüchsigen oft daran, ihren Erzeugern (Danke für dieses Wort, Christine Nöstlinger!) glaubhaft zu versichern, dass Vierzehnjährige natürlich alt genug seien, alleine mit dem Zug in ein entlegenes Eck Europas zu tingeln, um dort vier Tage einem Festival beizuwohnen, und nein, man braucht da höchstens (!) ein Zelt. Folglich scheitern dann ein paar Jahre lang beide Parteien am Finden adäquater Reiseziele und einigen sich auf solche, die beide Seiten gerade noch ertragen können.

Am schönsten ist vielleicht die Zeit zwischen Kleinkind und Teenager. Da kann man sich zu Hause hinsetzen und bekommt auf die Frage, wer denn worauf Lust hat, manchmal tatsächlich Antworten, die eine Schnittmenge eröffnen. Wer besonders tollkühn ist, lässt sogar jedes Mitglied der Herde einen Programmpunkt einbringen, auf den sich dann alle einlassen müssen. Und gelegentlich hält eine so gefundene Balance ein ganzes Eltern-Kind-Leben lang an.