Raab geht essen: Kultur gut oder Armins Bart
Von Thomas Raab
„Lieber Thomas, du weißt aber schon, wer diese Woche dran ist!“ Allerspätestens wenn ich diese Zeilen in meinem Posteingang finde, wird mir klar, wie schnell die Zeit vergeht. Wieder sind 28 Tage um. Wieder steht mir die Ehre zu, hier in Papierform gemeinsam mit Ihnen Essen gehen zu dürfen. Diesmal aber gebe ich das Staffelholz ganz keck weiter. Hören Sie es schon rauschen. Hinter, vor, um sich. Rollbalken, Rollos, Sonnenschirme, wie sie hochschnellen. Also los, auf was warten Sie noch, denn: „Liebe Damen & Herren, Sie wissen aber schon, wer diese Woche dran ist!“ Sie. Ganz genau: Sie. Sogar leibhaftig, mit Haut & Haar, und Fleisch & Blut, sogar auf dem Teller, gebacken, gebraten, gegrillt, gedünstet, durch, medium, rare... Und falls in Papierform, dann keinesfalls so jämmerlich wie ich hier, sondern gut gefüllt, wenn Sie sich die Reste einwickeln, in ein Papiersackerl stecken und dann zu Hause schmecken lassen. Nach der ZiB 2 zum Beispiel und dem leider wieder rasierten Armin, weil fesch war er schon – so wie der Axel und der Gert – der Wolf im Schafspelz. Einfach fesch. Die Idealbesetzung für so einen Gerard-Butler-, oder Russel-Crowe-Action-Reißer, aber als Indoor-Beisl-Version, weil bis Outdoor wieder Filme gedreht werden dürfen, oder Konzerte besucht, hat die Ulrike womöglich auch ohne Pilz schon zum zweiten Mal die Grünen aus dem Parlament geschmissen.
Nichtschwimmer sind perfekt geeignet, beispielsweise Weltranglistenerste im Tennis zu werden, aber sich bei hohem Wellengang auf ein Surfbrett zu stellen ist schon sehr, sehr übermütig ... Und darum: Haben Sie Mut nicht nur zur Unmöglichkeit, sondern dem Machbaren. Das geht nicht in Hosn, und darauf kommt es zurzeit an. Was ist wieder denkbar, angemessen, passend? Armins Bart eben. Trauen Sie sich. Bitte. Stürmen sie die wiedereröffnete Gastronomie. Nicht nur, weil jeder, der diese harte Zeit allein in seinem gesperrten Lokal durchgehalten hat, es aufrichtig verdient, dafür bedankt zu werden, sondern, weil es da drinnen herrlich gemütlich ist, sicher, steril. Und lassen Sie sich um Himmels Willen nicht abschrecken, oder gar täuschen, nur weil irgendwo auf der Straße haufenweise Leute herumstehen, als wüsste man von nichts und gäb’ es seit Monaten kein Fernsehen, Radio, Zeitungen, soziale Medien. Alles heruntergefahren, wie der Stromkreis im gelben Ei ohne Hirn drüben im weißen Hühnerstall. So erlebt auf der Mariahü. Ein Eis wollt’ ich mir kaufen, weil Eis ist zurzeit definitiv systemrelevant, bevorzugt in Gestalt Nocciolone, Joghurt, Menta. Menschenmassen, nix Abstand, Maske nur kurz vor der Tiefkühlbudel. Meine Nerven lagen blank. Half nur, des Zuckertrostes wegen, das Stanitzel gierig Richtung Lippen zu führen, leider noch mit Mundschutz. Blöde Sache. Rundum die sich vorbeischiebende Menge. Und logisch musste ich an all jene Spezialisten denken, die wie ich die Wocheneinkäufe erledigen, sich hektisch in der Tiefkühl-, oder Gemüseabteilung vorbeizwängen und dann plötzlich den Eindruck erwecken, jeden Landfrischkäse oder Grazer Häupl persönlich kennenlernen zu wollen ... All das können Sie sich ersparen.
Also bitte: Gehen Sie essen. Auch das ist Kultur und gut obendrein. Gönnen Sie sich diese Auszeit, diesen ersten Urlaub. Die Wirtshaustüre öffnen, sich hinsetzen, verwöhnen lassen, glückselig durchatmen, „Hallo Leben“, durch das Fenster auf die volle Straße blicken und wissen: Hier herinnen bin ich bestens aufgehoben, einfach richtig. Danke vielmals fürs Aufsperren. Danke, Danke, Danke.