Kolumnen

Paaradox: Warmherzig

Sie

Und während ich versuche, mich mit den Jahreszeiten so zu arrangieren, wie sie daherkommen, fängt der Mann gegenüber wieder einmal herumzuschmollen an. So als könnte er mit seinem Schnoferl mildernde Umstände beim göttlichen Wetterchef erreichen, ungefähr so: Wenn ich ab sofort brav bin, machst du dann für mich den Nebel, das Kalte und das Finstere weg? Und mir jammert er vor, was ihn an den aktuellen meteorologischen Missständen  stört: Dass er sich nachts im Nebel mit einem vollen Gackisackerl noch blöder vorkommt als sowieso schon. Dass er sich mit Haube nicht authentisch fühlt, aber ohne irgendwie auch schlecht, weil sich seine Glatze in einen Kaltluftsee verwandeln könnte. Außerdem hätte er jetzt öfter eisige Füße. Der Wetterchef gähnt leider nur, zuckt mit den Schultern, schaut auf Menschlein Michael herab und sagt: „Nimm das! Und zieh dich warm an.“ An dieser Stelle komme ich ins Spiel – als Spezialistin fürs Kuschelige und Besitzerin von Socken aller Art, Motto: „Kopf kühl, Füße warm – das macht den besten Doktor arm.“

Kaltes Herz?

Vor einigen Jahren noch dafür belächelt, ertappte ich ihn unlängst beim Durchwühlen meiner wohl sortierten Strumpflade. Auf die Frage, ob er was von mir zum Schnuppern suche, um entspannter einzuschlafen, reagierte er mit deutlichem Murren. Zwei Sekunden später gestand er mir, dass er gerade drauf und dran sei, diese tollen Lammwoll-Socken zu fladern, Zusatz: Für mich daheim! Ich sagte nur: „Bedaure, aber die sind dir viel zu klein“. Ja, ertappt: Das war gelogen. Kühler Kopf, warme Füße bedeuten aber noch lange kein kaltes Herz. Also machte ich mich  auf und erstand an einem nebeligen Nachmittag fluffige Herrenpatschen, Größe 44. Mein Beitrag zu seiner Lebensqualität. Ein beruhigendes Gefühl,  zu wissen, dass Herzkönig in seinem Reich nun mit warmen Zecherln nonstop Bundesliga schauen kann – und meine Socken vor ihm sicher sind.

gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Ich sage es ohne Wenn und Aber: Je älter ich werde, desto wehmütiger und grantiger macht mich der Abschied vom Sommer. Spätestens zur Zeitumstellung packt mich die Gewissheit, dass nun ein halbes Jahr Dunkelheit und Kälte vor mir liegen. Meine Frau entgegnet meinem Lamento verlässlich mit Sätzen wie: Sieh doch das Positive. Als ob Kaminfeuer, Kerzerlkult oder Adventpunsch ein Ausgleich sein könnte zu dem Umstand, sich für jede Gassirunde mit Gustav zu adjustieren als stünde man vor dem Aufstieg zum Basislager III des Kangchendzönga. Erst unlängst sagte ich: „Ich wollte, ich wäre ein Murmeltier. Das haut sich im Oktober aufs Ohr und nimmt erst ab April wieder am gesellschaftlichen Leben teil.“ Vermutlich fragt es kurz: „Und? War was?“ Um dann in der Frühlingssonne gut ausgeschlafen vor sich hin zu pfeifen. Da sagte sie nur: Dir ist aber schon klar, dass sich Murmeltiere vorwiegend von Gräsern und Kräutern und nicht von Schnitzel und Schinkenfleckerln ernähren? Ein niederschmetterndes Argument, um mich meinem Schicksal zu beugen.

Imageschaden

Jedenfalls bemerke ich den zunehmenden Hang zu kalten Füßen. Weshalb ich zuletzt im Zuge des gemeinsamen Norwegen-Urlaubs in der Kaufhaus-Abteilung „Filt Tøfler“ eine Inspektion vornahm. Heimlich natürlich. Nach jahrelanger Belustigung über die Kuhn’sche Eigenart, sogar im Hochsommer keinen Schritt ohne die Stricksocken ihres Vertrauens zu wagen, fürchtete ich einen dramatischen Imageschaden. Leider entdeckte sie mich bei der Patschen-Recherche und sah mich an, als würde ich mit einem Marktstandler über meinen Jahresbedarf an Brokkoli verhandeln. Es kam, wie es kommen musste. Sie schenkte mir Filzpantoffeln und grinste: Fürs Fussi. Bussi. Ich antwortete: „Na bravo. Und zu Weihnachten gibt’s dann einen Thermophor für Wärme und Entspannung?“ Und sie: Hm, vielleicht. Aber ich tippe eher auf Murmeltiersalbe.

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