Kolumnen

Paaradox: Sehr witzig

Sie

Herrlich, wenn der Tag so richtig fröhlich beginnt – mit einem Lächeln, einer Umarmung und einem Superwitz. In den ersten beiden Kategorien ist der Mann nebenan Meister seines Fachs: umarmen kann er und lächeln, aber hallo! Witzepräsident ist er allerdings keiner, da muss er noch ein bisschen üben. Gestern zum Beispiel reichte mir HuHu (für: Humorist Hufnagl) folgende laue Lachnummer zum Kaffee: Sagt die Ehefrau am Telefon „Sorry, Schatz. Ich kann nicht mehr. Wir sollten uns trennen.“ Sagt der Mann: „Okay, aber du legst zuerst auf“. Ähem.

Überraschung!

Während er von sich begeistert in sein Butterbrot hineingrinste, dachte ich darüber nach, wie ich im Gegenzug ebenfalls für etwas Heiterkeit sorgen könnte. Schließlich probierte ich es so, frei nach dem Satz Der Witz umarmt die Wirklichkeit von Karl Kraus: „Liebster, fang schon einmal an, dich zu freuen. Heute Abend gibt es fleischlose Burger.“ Selbstverständlich blieb ihm das Lachen im Hals stecken, er sagte dann auch, wie erwartet: „Schlechter Witz, oder?“ Nun hatte ich die Wahl: die Wahrheit oder die Lüge. Ich entschied mich sicherheitshalber für zweiteres, womöglich wäre er mit den Worten Na dann, bis zum Abend! gegangen und nie mehr wiedergekommen. Von Männern, die plötzlich verschwinden, liest man ja zuweilen. Also schwindelte ich: „Stimmt, durchschaut! Ich habe einfach nur versucht, so lustig zu sein wie du.“ Und so saß er abends beglückt vor einem schönen, großen Burger mit einem Erbsenproteinlaberl drin (das der Farbe wegen mit Rote-Rüben-Saft angereichert wurde; rote Rüben hasst er!) – zutiefst davon überzeugt, dass er in echtes Rindfleisch beißt: „Herrlich! So saftig, mein Schatz, und perfekt gewürzt!“ Das anschließende Aufklärungsgespräch verlief zwar etwas unappetitlich, doch immerhin kam er zu dem Schluss, dass es mit mir nie fad wird. Stimmt. Außerdem gibt’s Schlimmeres, als mit einem Erbsenproteinlaberl betrogen zu werden.

gabriele.kuhn / facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Möglicherweise gibt es das Gesetz der kuhn’schen Unschärferelation. Heißt: Je länger die Ehe, desto entrückter die Wahrnehmung. Also erstens: Ich erzähle eher selten Witze. Weil ich sie mir nicht merke, und weil ich sie darüber hinaus für sehr fragwürdige Beiträge zur Unterhaltung von Gesellschaften halte. Und trotzdem habe ich das Gefühl, dass es in meiner Welt recht lustig zugeht. Meine Frau neigt dankenswerterweise auch nicht sehr zum Drucken vorgefertigter Wuchteln. Das hat einen Grund: Sie stolpert nämlich in solchen raren Momenten tragikomisch durch die Erzählung. Was bedeutet, sie bastelt sich erst im Zuge des Vortrags die Versatzstücke des Witzes zusammen. Das klingt so: Ein Mann, seine Frau und … nein, falsch … ein Mann, seine Geliebte und der Schwiegervater gehen … warte, wie war das … ja genau … sie gehen in die Oper … nein, ins Theater … nein, obwohl, ist ja wurscht … also jedenfalls … sie gehen … usw., usw. Da kann es vorkommen, dass es auf dem sehr langen, sehr holprigen, sehr ermüdenden Weg bis zum großen Finale zu sonderbaren Wendungen kommt, die gar nicht im Witz-Drehbuch stehen. Und die mit der Pointe enden, dass es keine Pointe gibt – weil sie die Liebste vergessen hat.

Spionage in der Küche

In diesem Sinn ist auch die Geschichte vom Erbsenproteinlaberl zu betrachten. Denn selbstverständlich habe ich gewusst, dass es kein Rindfleisch war. Allerdings weniger des Geschmacks wegen (das Ding war tatsächlich trotz der eher unsinnlichen Zutaten des Fertigprodukts sehr genießbar). Sondern weil ich zuvor das Verpackungsmaterial in der Küche entdeckt hatte. Aber weil ich eben ein witziges Kerlchen und kein Pointenkiller bin, wollte ich der Köchin nicht ihre Freude, die zwischen kindlich und diebisch angesiedelt war, verderben. Also lächelte ich und fragte: „Ist noch ein Burger da?“ Mit dem verehrten Wilhelm Busch im Kopf: „Hoch ist der Liebe süßer Traum, erhaben über Zeit und Raum.“

michael.hufnagl / facebook.com/michael.hufnagl9