Paaradox: Neue Abenteuer
Sie
„Fünf Dinge, die Sie in Ihrer Beziehung unbedingt einmal tun müssen“, stand da, als ich fadisiert im Netz herumsurfte. Ich klickte die Story an und las, wie wichtig es sei, in Langzeit-Beziehungen romantisch-abenteuerliche Aktivitäten einzubauen. Stimmt, davon hatte ich an dieser Stelle bereits geschrieben. Ohne weiterzulesen, begannen meine Gedanken zu wandern, die Fantasie ging mit mir durch. Was würden die Auskenner wohl vorschlagen? Die Hand-in-Hand-Besteigung der Dhaulagiri-Südwand, samt romantischer Zeltnacht im Basislager 2? Wracktauchen zur „Titanic der Karibik“ namens Bianca C, danach Schmusen am Strand zu „My Heart Will Go On“ von Mariah Carey? Lustiges Kugelfisch-Essen in Japan als Abenteuer mit offenem Ausgang?
Erinnerungen
Ich blickte erneut auf mein Smartphone und da stand einfach nur, es wäre super, jenen Ort zu besuchen, an dem man sich dereinst kennengelernt hatte. Puh, wie aufregend. Tags darauf fragte ich den Mann gegenüber, ob er Lust hätte, mit mir ins Lusthaus im Prater zu gehen, dazu zwinkerte ich und sagte: „Der alten Zeiten wegen, nachher könnten wir ja mit der Liliputbahn fahren.“ Seine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Erst fragte er mich, was mit meinem Auge los sei, weil das so komisch zucke. Danach, warum ich ausgerechnet dorthin wolle, O-Ton: Das ist ja urweit weg von uns daheim! Ich meinte: „Schatzi, eh schon wissen …“, zwinkerte erneut, in der Hoffnung auf einen mentalen Kniefall als Hommage an den besten und wichtigsten Moment seines gesamten Lebens. Und ein Heureka im Sinne eines Aber natürlich, Liebste, für immer unvergesslich!
Aber leider: nix dergleichen. Er tat so, als wäre er ahnungslos, verwies stattdessen aufs Schweizerhaus, ebenfalls im Prater, auf das er im Sinne einer knusprigen Stelze mehr Lust hätte. Doch dann! Dann zwinkerte er: Hm, Schatzi, vielleicht geht sich danach noch ein Absacker im Lusthaus aus. Wie damals. Oh ja: Romantik ist nichts für Feiglinge.
gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKuhn60
Er
Meine Frau hat den Hang dazu, im Internet Geschichten anzusurfen, von denen ich mir bereits bei der Schlagzeile denke: Wer um Himmels Willen sollte das freiwillig lesen wollen? So etwas wie: „33 Tipps, um deiner Liebe Ausdruck zu verleihen.“ Oder: „Romantische Ideen für das Knistern im Alltag.“ Dabei handelt es sich immer (!) um Texte, die bei genauer Betrachtung der Lebensrealität so nahe sind wie Akrophobiker dem Everest-Gipfel. Unlängst schickte sie mir einen Link mit dem Titel: „Einlassen. Zulassen. Loslassen.“ Ergänzt durch die Bemerkung: Jetzt darfst du dich kreativ austoben, bin gespannt. In der von essayistisch-philosophischer Brillanz umwehten Story geht es verknappt darum, dass man (ausnahmsweise) etwas tut, was die Partnerin besonders gerne tut, man aber selbst nie tun würde. Gemeinsam!
Weil so ein Experiment angeblich Nähe und Verständnis fördert. Schon sah ich uns bei einer lustigen Gemüse-Kur im Gesundheitshotel „Zum fidelen Fastenfreak“. Wo ich dank übermäßigen Konsums von Brokkoli und Melanzani jene Kraft tanke, die es mir ermöglicht, an der Seite von gnä Kuhn den Yoga-Kurs mit Lehrerin Sunyata (der Name steht für „Die Leere, aus der Neues entsteht“) unfallfrei zu überstehen.
Akarna Dhanurasana
Jetzt kann man sich ungefähr vorstellen, wie erleichtert ich war, dass die Wirklichkeit anders aussah. In der nämlich wollte meine Frau lediglich wieder einmal den Ort des ersten Funkens besuchen. Ich handelte einen Zwischenstopp im Biergarten aus und erinnerte sie dann daran, wie sie mein einstiges Werben mittels Astrologieschmäh („Prickelnd, wir sind beide Schützen“) kommentierte: Hufnagl, so wird das nix. Tja, wie sehr kann sich eine Frau irren? 26 Jahre später liest und versendet sie noch immer Liebesbotschaften. Und ich überlege, ob wir yogamäßig nicht doch zusammen Akarna Dhanurasana ausprobieren sollten, die Position Pfeil & Bogen. Es muss ja nicht mitten im Lusthaus sein.