Paaradox: Angeschlagen
Sie
Das neue Jahr begann, wie das alte endete: im Lichte dieser seltsam-hartnäckigen Virusinfektion, die uns beide mehr und mehr in mehlige Sofa-Kartoffeln verwandelte. Für jene lieben Leserinnen und Leser, die hier den Anglizismus bevorzugen: Ich meine natürlich „Couch-Potatoes“. Aus uns hätte man ruckzuck ein klebriges Erdäpfelpüree machen können. Vor allem zu Silvester, der sich diesmal eher schlicht gestaltete, nämlich in Gesellschaft des Trios „transpirieren, kurieren, bescheidenes dinieren“. Zumindest aus seiner Sicht „bescheiden“. Denn was sonst von ihm – Jahresende für Jahresende – als finales Fress-Furioso gestaltet wurde (Einmal bitte noch essen, bis der Arzt kommt), klang heuer irritierend genügsam: Mein Appetit ist weg! Ui, der Arme. Und dennoch schien er immer noch groß genug, um meinen Suppen-Vorschlag (kräftige Rindsuppe mit Einlage) folgendermaßen umzuinterpretieren: Schöner fände ich eine Suppen-Trilogie, was meinst, geht da was? Nun fügte er einen Aristoteles hinzu: Glück ist Selbstgenügsamkeit.
Silvester, Baby!
Ah ja. Und schon sah ich den Schatten meiner selbst in einer Fieberpause am Herd stehen, um mich – auf einen großen Kochlöffel gestützt – an diversen Süppchen zu versuchen. Mir war schon klar, wovon er, anlassgemäß (Silvester, Baby!), delirierte: Luxus auf dem Löffel. Dort ein bisserl was von der kräftigen Consommé, da eine Schale von der Schaumsuppe, allenfalls mit ein paar speziellen Zutaten, die man nur bekommt, wenn man sich stundenlang auf Einkauf-Expedition in die Innenstadt begibt. Und, als Abrundung, zum mitternächtlichen Klang des Donauwalzers, vietnamesischen Suppentopf. Leicht scharf, bittedanke. Da es mir allerdings akut an spinatbedingten Popeye-Kräften fehlte, blieb es nur bei der asiatischen Rezeptur, für die ich tatsächlich alles vorrätig hatte. Da saßen wir und schlürften uns ins neue Jahr, während sich unsere nahe Zukunft sanft in ein paar abgelaufenen Glasnudeln spiegelte.
Er
ErEs ist durchaus schmerzlich, sich im Zustand der Rekonvaleszenz vor dem Jahreswechsel von der Festmahlidee zu verabschieden. Obwohl sich der Appetit ohnehin in Grenzen hält, wenn man sich über die Weihnachtsfeiertage an Mikronährstoffe (mit allen wichtigen Spurenelementen bittesehr) gewöhnt hat. Und mit einem guten Tröpferl nicht perlender Rosé-Sekt, sondern ein gelbtrübes pflanzliches Schlafelixier gemeint ist. Und dennoch wollte ich es irgendwie nicht akzeptieren, dass ich zur Begrüßung von 2023 lediglich an einer vitaminfruchtigen Filmtablette herumkaue – womöglich könnte sich das unbewusst als Vorsatz manifestieren. Ich konsultierte daher meine stets rezeptkreative Frau, die an den gleichen Schwäche-Symptomen litt wie ich – was für das Einfühlungsvermögen förderlich sein sollte: „Irgendetwas sollten wir essen, damit wir überhaupt bis zum Pummerin-Gebimmel durchhalten“, tippte ich mit zittrigen Fingern. Leider bekam ich ruckzuck die gefürchtetste aller Antworten: Stimmt. Auf jeden Fall was G’sundes.
Karottenpommes
So schnell und glasig konnte ich nicht schauen, da schickte mir die Chefköchin schon Links mit jenen Spezialitäten, die in meiner Vorstellung auf einer launigen Soiree im Vorhof der Hölle kredenzt werden: Zucchininockerln, die süchtig machen stand da. Oder: das Brokkoli-Pfandl für den Träumer. Sowie: Her mit den lustigen Karottenpommes! Ich lächelte gequält bei dem Gedanken daran, mit welcher Freude gnä Kuhn durchs Gemüse-Web surfte, um mich mit Salven von kulinarischen Silvesterkrachern zu erschrecken. Also schrieb ich: „Stop!“ Und schlug ein Suppen-Festival vor. Mit Erfolg. Schon löffelten wir gemeinsam dem neuen Jahr entgegen. Weil, wie heißt es – glaube ich – so schön: Schlürfen bringt Glück.
Neues Soloprogramm „Musst du so schlürfen?“, Termine: 17. 2. Wilheringerhof, Klosterneuburg, 22. 2. und 26. 3., CasaNova Wien, 20. 3., Studio Akzent, 20. 4., Stadtgalerie Mödling