Kolumnen

Paaradox: Aber bitte mit Sauce!

SIE

Rituale sind wie Gerüste, habe ich gelesen – sie geben Beziehungen Halt. So sehr wir zwar eher das Haltlose lieben, so sehr haben sich auch bei uns rituelle Handlungen etabliert. Folgende Morgenfrage gehört hier dazu: Hast du gut geschlafen? Um ehrlich zu sein: Nicht immer sind wir bereit, die Antwort darauf vertiefend zu reflektieren. Zumal sie fast immer so lautet: Eh super. Und du? Worauf das „du“ fast immer sagt: Eh auch. Machst bitte Kaffee? Zum Gähnen, stimmt. Aber auch das ist irgendwie Liebe.

Magendrücken

Manchmal aber passiert was und das Unerwartete zerreißt den roten Faden des Immergleichen. Etwa, wenn der Mann antwortet: Nicht so gut. Nun, selbst wenn mich das im Moment genau Null tangiert und ich schon viel lieber unter der Dusche stehen würde, muss ich trotzdem mit einem Oje, wieso? Anteilnahme mimen. Obwohl ich weiß, was kommt: Das Hach, ich hatte so Magendrücken-Lamento. Eigentlich gehört der Mann zur Kategorie Superschläfer, er schlummert sogar dann tief, würde der Hund neben ihm die ganze Nacht zu den Klängen von AC/DC vor sich hinfurzen. Doch hin und wieder macht ihm seine Natur als Beilagenesser einen Strich durch die Rechnung, ich sage nur: die Saucen! Wenn wir in einem Lokal sitzen und es irgendwas mit Sauce gibt, bestellt er und fügt hinzu: Aber bitte mit Sauce, mit ganz viel Sauce! Dann wird getunkt und gelöffelt als hätte Gott – aus Frankreich, selbstverständlich – ihm ein Fettverdauungssystem aus Titan reinmontiert. Weil der Michi so ein dankbarer Esser ist. Hat er aber nicht. Also bin ich es, die am Saucen-Morgen danach in ein Gesicht schauen muss, in dem alles Bauchweh dieser Welt zu lesen ist. Das sind jene Momente, wo ich nix sage, um alles zu sagen. Und das ist mein Ritual.

NEUE TERMINE: 8. 10. Stadtgalerie Mödling; 16. 10. Stalltheater Königstetten; 14.11. Bühne im Hof, St. Pölten; 16.11. Hagenbrunn; 19. 11. Langenlois

 

gabriele.kuhn@kurier.at

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ER

Tja, ein  richtiger Gedanke von gnä Kuhn: Es geht nix über eine gewisse Verlässlichkeit im ehelichen Dialog. In diesem Zusammenhang fallen mir immer jene Boulevardisten ein, die beispielsweise für die Besetzung eines politischen Amtes alle paar Tage einen neuen Namen nennen. Am Ende haben sie unzählige Persönlichkeiten ins Spiel gebracht, von denen fast zwangsläufig eine den Posten erhält. Worauf die selbst ernannten Insider stolz jene Story aufwärmen, in der sie richtig gelegen sind, mit dem Verweis: Seht her, wir haben es wieder einmal gewusst!  Ungefähr so läuft das bei uns auch ab.

Spürsinn

Die Liebste sagt mit schlafwandlerischer Sicherheit Sätze wie Du vergisst eh nicht auf das Parkticket? oder Denk’ dran, wir brauchen Milch! oder Iss’ nicht zu viel, sonst jammerst in der Nacht wieder. In neun von zehn Fällen bekomme ich kein Strafmandat, bringe die notwendigen Lebensmittel mit und schlafe nach einem guten Essen wie ein Quokka bei Tag (Bitte googeln Sie dieses Tier, es sieht so unfassbar glücklich aus). Aber hin und wieder passiert’s – und ich verstoße gegen die ungeschriebenen Alltagsgesetze. Was meine Frau – mit dem Spürsinn einer Miss Marple ausgestattet – augenblicklich registriert. Um dann mit einer Mischung aus Selbstverständnis und Mitleid jenen Satz zu offenbaren, der sich wie kaum ein anderer als Stickerei auf einem Kopfpolster des ehelichen Sofas eignen würde: Ich hab’s dir ja gesagt. Daher habe ich auch länger gezögert, ob ich der Allwissenden gestehen soll, dass meine Sehnsucht Bitte mit  viel Sauce ausnahmsweise nicht ohne Folgen geblieben ist. Weil sie mich ja routinemäßig gewarnt hatte. Aber ich erzählte ihr dann doch von Schlaflosigkeit und Bauchweh und fügte hinzu: Schatz, Ich hätte auf dich hören sollen. Ahnend, dass sie nur wenig lieber vernimmt als das. Und sehr zufrieden, weil der Fall damit erledigt war. Ja, so sind wir Quokkas. 


michael.hufnagl / facebook.com/michael.hufnagl9