Kolumnen

Natur pur: Alles im Einklang beim Weinbau?

Schaut man sich die Webseiten von Weingütern durch, stolpert man bei gefühlt 99,9 Prozent aller Fälle über ein Wort: Natur.

Da wird „natürlich“ und „so naturnah wie möglich“ vor allem aber „im Einklang mit der Natur“ gearbeitet, dass es nur so eine Freude ist. Bilder von glücklichen Weinbauernfamilien inmitten von Rebstöcken sollen dokumentieren, dass hier das „Verhältnis von Mensch und Natur“ noch intakt sei. Wie sich das halt so gehört, in einer heilen Welt.

In der wirklichen Wirklichkeit sieht es oft anders aus: Während rund um die Weingärten alles grünt und gedeiht, ziehen sich ab etwa Mitte Mai gelbe Streifen entlang so mancher Rebzeile – die werden dann braun und schließlich verdorren sie ganz. Wer glaubt, die armen Pflanzen litten ob der warmen Temperaturen unter Wassermangel, irrt.

Schuld an der wundersamen, so gar nicht natürlichen Dürre im Frühling ist das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. Das umstrittene Herbizid vernichtet zuverlässig jedes Leben rund um den Rebstock und auch darunter. Besonders betroffen sind Insekten und Organismen im Boden. Die Weltgesundheitsorganisation WHO stufte das meistverkaufte Pflanzengift sogar als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ ein.

Bio-Betrieben ist der Einsatz von Glyphosat verboten, im konventionellen Weinbau aber weiterhin erlaubt. Also preisen es Hersteller weiter munter als besonders gründlich, aber harmlos für Nichtzielorganismen an – eine Art Frühjahrsputz für den Weingarten, halt. Natürlich ganz im Einklang mit der Natur.

flaschenpost@kurier.at

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjournalistin in Wien.