Kolumnen

Kralicek geht essen: Das Osterei

Erinnern Sie sich noch an den ersten Lockdown? Das war die Zeit, als die Pandemie noch so richtig ernst genommen wurde – dabei war die 7-Tage-Inzidenz so dezent, dass sie uns heute Freudentränen in die Augen treiben würde. Aber damals wussten wir ja gar nicht, was eine Inzidenz überhaupt ist! Es waren unschuldige Zeiten.

Ski fahren war streng verboten, Bundesgärten wurden zu Sperrgebieten erklärt, die Leute blieben tatsächlich zu Hause. Mut gab vielen damals nur die von der Bundesregierung in Aussicht gestellte Möglichkeit, wenigstens das Osterfest würdig begehen zu können. Es gab aber auch Menschen, die mit dieser Verheißung nur wenig anfangen konnten: Was für ein Osterfest?

Es war schon ein sehr christliches Licht, das uns damals ans Ende des Tunnels gestellt wurde (aus dem wir, wie wir jetzt wissen, immer noch nicht rausgekommen sind). Obwohl Ostern im Kirchenjahr zweifellos das wichtigere Event ist, steht es im Kalenderjahr klar im Schatten von Weihnachten. Während die Weihnachtsfeiertage de facto zwei Wochen lang sind, ist Ostern nur ein langes Wochenende. Statt des Christkinds kommt der Osterhase – ein Schwindel, auf den nicht einmal alle Kleinkinder hereinfallen. Und auch kulinarisch macht das Fest nicht viel her. Beim Osterbockbier wird man den Verdacht nicht los, dass die Brauereien bloß den übrig gebliebenen Weihnachtsbock loswerden möchten. Und wenn wir ehrlich sind, können wir auch ohne Osterpinze und Osterschinken im Brotlaib (wer hat sich diesen Unsinn eigentlich ausgedacht?) ganz gut leben.

Bleibt eigentlich nur das Osterei. Das allerdings kann wirklich was. Erstens ist es nahrhaft (enthält viel Eiweiß!). Zweitens ist es hart gekocht und daher splittersicher wie eine Windschutzscheibe. Drittens ist es preisgünstig, auch in der alternativlosen Version Freilaufhaltung. Und viertens schmeckt es richtig gut. Aufmerksame Beobachter werden jetzt vielleicht einwenden, das könne man von allen Eiern sagen. Damit haben sie zwar recht, aber das Osterei ist trotzdem speziell. Es ist bunt – welches Ei kann das schon von sich behaupten? Und, ganz wichtig: Man kann damit Eier pecken – ein Zeitvertreib, der ausschließlich in Zusammenhang mit Ostereiern gesellschaftlich allgemein akzeptiert wird. Das Osterei ist eben für jeden Spaß zu haben.

Nie werden so viele Eier verzehrt wie zu Ostern. Welche Auswirkungen das auf die Volksgesundheit hat, können Ärzte besser beurteilen. Aber sehr wahrscheinlich ist eine Überdosis Eiweiß besser verträglich als der toxische Cocktail aus Vanillekipferln, Gänseschmalz und Punsch, mit dem wir unseren Organismus zu Weihnachten auf den Prüfstand stellen.

Liebe Leserinnen und Leser! Ich möchte nicht zu viel versprechen, denn es ist auch heuer keineswegs sicher, dass wir das Osterfest so würdevoll begehen können, wie manche von uns das gewohnt sind. Ein Osterspaziergang – nie war er so aktuell wie heute – sollte aber möglich sein, die Parktore bleiben diesmal sperrangelweit geöffnet. Und auf keinen Fall lassen wir uns den Appetit auf unser österliches Nationalgericht verderben. Vielgerühmtes Osterei, vielgerü-ü-ü-hmtes O-o-o-ster-ei!