Kolumnen

Johannas Fest: Grillen #me too#

Sich mit Freunden um eine heiße Feuerstelle zu versammeln und zuzusehen wie das gemeinsame Mahl entsteht, schafft community.

Mein Mann ist Musiker und Intendant eines kleinen, feinen Kammermusikfestivals. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass gefeierte Solistinnen und Solisten oft nicht nur zum Konzert auf die Bühne kommen, sondern auch zum gemeinsamen Essen in unser Haus im niederösterreichischen Mostviertel. Die Erfahrung, die wir dabei immer wieder machen: Je berühmter der Star, desto geringer bis gegen Null sind die Allüren. Der Tenor Michael Schade etwa, der uns am Tag, nachdem er mit Schuberts Liederzyklus „Die Winterreise“ Standing Ovations erntete, die Ehre gab, ist nur ein Beispiel.

Wir grillten Schulter und Keulen vom Milchlamm und schoben Rosmarinkartoffel ins Rohr. Der Deutsch-Kanadier legte alles an den Tag, was Eingeladene zu Lieblingsgästen macht: Es regnete Komplimente für Haus und Garten, der 54-Jährige brachte nebst Strahlelaune einen edlen Rebsaft mit, posierte nimmermüde für Fotos mit den weiteren Teilnehmern der Tafelrunde und agierte fachkundig hinter der Feuerstelle.

Apropos Feuerstelle: Neben der Liebe zur Musik und einer der barock/hedonistischen Lebensfreude geschuldeten stattlichen Figur, haben mein Mann und Michael Schade noch eins gemeinsam: ein Faible für Gasgriller.

Unter meinen ebenso laut wie vergeblich vorgetragenen Protesten hielt vergangenes Jahr das neue Lieblingsgadget meines Göttergatten Einzug in unseren Garten: ein skandinavisches Designerstück, das den archaischen Holzkohlegrill verdrängte und unverschämt viel Platz von unserer kleinen Terrasse in Anspruch nimmt.

Michael Schade wiederum hat sich vergangenes Jahr mit einem Gasgriller, der den Namen eines selbst ernannten französischen Kaisers trägt, einen lang gehegten Traum erfüllt. Dieses eindrucksvolle Gerät mit fünf bunt leuchtenden Schaltknöpfen durften wir ein paar Wochen später im Zuge einer Gegeneinladung auf seiner Terrasse in Wien bewundern. Unter tatkräftiger Mithilfe von Ehefrau Deanne McKee und deren aus Kanada mit eindrucksvollen Tomahawk-Steaks angereistem Bruder, genossen wir hier eine Grillade der Sonderklasse.

Bedrohte Männerdomäne

Spielerisch wie auf der Bühne bezog Schade Position hinter seinem Grillgerät und begann mit Expertenmiene das Gaswerk.

„Hier darf der Mann noch Mann sein!“, konstatierte das Oberhaupt einer zehnköpfigen Patchworkfamilie strahlend.

Dass das Grillen eine wahre Männerdomäne ist, beweisen uns Werbung, Bilder in Hochglanzmagazinen, Bücher und die Realität, die den Geist des Mannes als „Provider“ unermüdlich manifestieren. – Aber wie lange noch? In den USA zeichnet sich dem Vernehmen nach bereits ein Gegentrend ab. Mit der Forderung #me too# kämpfen kommunikationsfreudige Feministinnen für eine gerechtere Verteilung der Führungsrolle hinter dem Grill.

„Lasst uns Männern doch wenigstens unsere IWC!“ Mit diesem Hilferuf für das bedrängte starke Geschlecht warb die feine Uhrenmanufaktur aus Schaffhausen, die berühmt ist, für ihre virilen Pilotenchronometer. – Ob wohl die Produzenten der hochpreisigen Outdoor-Feuerstellen den Slogan bald übernehmen werden?