Kolumnen

Johannas Fest: Gaumenschmaus und Katzenjammer

Unser Freund Stefan erzählte neulich vom Dinner in der Cottage-Villa eines Ärztepaares. Livrierte Kellner reichten als Aperitif Champagner und Kanapees, die lange Tafel für mehr als zwanzig Leute war festlich gedeckt und am Menü stand alles, was gut und teuer ist. Auch die Gesellschaft, die sich mächtig elegant herausgeputzt hatte, war größtenteils anregend. „Aber für die Begleitmusik brauchte man schon starke Nerven“, berichtete Stefan, der eine führende Rolle im Kulturmanagement spielt.

Die Gastgeber hatten nämlich ein Hauskonzert auf das Programm gesetzt. So eine Überraschungs-Darbietung kann bereichernd, beglückend und berührend sein – oder das Gegenteil. Das kommt auf die Interpreten an und auf den Musik-Geschmack des Publikums.

Im konkreten Fall übten sich die beiden Töchter des Hauses am Klavier und an der Geige. Plötzlich wurde auch eine Harfe in den Salon getragen. Eines der Gästepaare hatte Wind von dem Überraschungskonzert bekommen und nutzte die Gelegenheit, auch sein „Wunderkind“ ins Rampenlicht zu rücken. Die Zehnjährige, die erst zwei Monate Unterricht an dem Saiteninstrument hinter sich hatte, protestierte vergeblich und fügte sich letztlich mit hochrotem Gesicht in ihr Schicksal.

Das zwangsbeglückte Publikum bemühte sich, freundliche Miene zum Kinderspiel zu machen. „Der reinste Katzenjammer!“, urteilte Stefan kopfschüttelnd. – Zu meiner Überraschung sah Franz, ein virtuoser Orchestermusiker, das Thema entspannter: „Wenn man ein Glas Wein in der Hand hat und der Auftritt maximal eine Viertelstunde dauert, ist so ein Hauskonzert doch sehr nett und hat ja auch eine lange Tradition. Längere Talentproben sollten aber engsten Freunden und Verwandten vorbehalten sein.“