Chaos de luxe: Alles Palermo!
Von Polly Adler
Sie lebt! Ich hatte mir um M schon Sorgen gemacht. Knapp vor dem Shutdown hatten „Kurti-Gau“ (wie sie ihn nur mehr nannte) und M die Scheidung beschlossen; das Abgebot, also der Gerichtstermin, war schon bestellt; die Scheidungsparty, wo wir uns alle als New Yorker Freiheitsstatuen verkleiden sollten, fixiert. Ich hatte schon an meiner Krone aus giftgrünen Schwämmchen gebastelt. Und dann kam Quarantänistan. Kurti-Gau durfte nicht zu seiner Pilates-Dulcinea ziehen, denn die hatte ihre Mutter bei sich wohnen. Die nur fünf Jahre älter ist als wir. Fies! Reicht es eigentlich nicht, dass die Neo-Objekte der Begierde aller Kurtis in einem Alter sind, wo sie den Begriff Festnetz für eine Internet-Party halten?
„Eigentlich läuft es Palermo”, juchzte M, „wir arbeiten nach der N-E-O-R-Methode.”
Seit sechs Wochen sind M und ihr zukünftiger Ex also zur Zweisamkeit verdammt. „Ich dachte schon, er hat dich an den Heizkörper gefesselt“, war ich erleichtert, „du hast nie abgehoben!“ – „Eigentlich läuft es Palermo“, juchzte sie, was in der M-Sprache ein Superlativ war, „wir arbeiten nach der N-E-O-R-Methode.“ – „Was ist das denn?“ – „No explanations, only results. Also: keinerlei Warum-ich-den-Weg-zur-Biotonne-doch-nicht-antrat-Gelaber, sondern möglichst wenig Text, sondern nur Ergebnisse.“ – „Heißt das, dass du auch mit ihm geschlafen hast?“ – „Ja, aber ausschließlich zum Stressabbau. Dieser Sex war eigentlich viel besser als in unseren letzten 23 Ehejahren, weil mit null Emotionen und null Erwartung verbunden. Herrlich! Und das Pilates-Fräulein hat ihn ständig mit Zoom-Dates, Marke ,Wie sehr hast du mich noch lieb?’ gequält, während ich in meiner obszön teuren Unterwäsche, die eigentlich schon für mein Post-Kurti-Leben gedacht ist, ein Gurkenschaumsüppchen gezaubert habe.“– Ich verabschiedete mich innerlich schon einmal von der Statue-of-Liberty-Party: „Seid ihr also wieder zusammen?“ – „Niemals! Aber ich überlege ernsthaft, ob ich ihn mir nach der Scheidung nicht als Liebhaber nehmen soll. Zumindest als Zwischenspiel.“