Kinder am Wort: Was kann die Schule aus der Corona-Krise lernen?
Von Heinz Wagner
Zu Beginn der Corona-Krise samt erstem Lockdown waren Kinder, ihre Rechte und vor allem das auf Bildung, nicht gerade vorranging. Anfangs kaum ein Thema. Das hat sich geändert. Während bei Lockdown Nummer 2 ab dem 2. November der Kanzler alle Schulen schließen wollte, sind wenigstens Kindergärten, Volksschulen und Unterstufen offen. Bildungsfachleute wollten das auch für die Oberstufen.
Kinder und Jugendliche selbst kamen nur selten zu Wort. Mitte Mai luden Wiens Bürgermeister und der Bildungsstadtrat die jungen und jüngsten Bürger_innen zu einer eigenen Online-Fragerunde ein, zwei Wochen später tat das auch der Gesundheitsminister. Der Kinder-KURIER veröffentlichte immer wieder Berichte von und Interviews mit Schüler_innen – Links am Ende des Beitrages.
Studie
Das Zentrum für Soziale Innovation (ZSI) startete im ersten Lockdown eine Studie „Lernen im Ausnahmezustand“, für die von Anfang an auch Kinder und Jugendliche befragt worden sind: 503 Schülerinnen und Schüler aus 617 Familien waren befragt worden. Die Untersuchung war nicht auf die Phase der Schulschließungen beschränkt, sondern wurde weitergeführt nach der Teil-Öffnung (jeweils die halben Klassen durften abwechselnd in die Klassenräume zurückkehren) und über die Ferien hinweg.
Einerseits wurden die Auswirkungen von Home-Schooling und Distance-Learning erfragt, aber auch, was es an Lehren für den „normalen“ Schulalltag geben könnte. Studien-Ergebnisse wurden knapp vor dem Lockdown2 in der wienXtra-Kinderinfo vorgestellt – von Wissenschafterinnen und fünf Schüler_innen. Die Zahlen weiter unten in einem eigenen Beitrag, hier sollen die fünf Kinder und Jugendlichen zu Wort kommen.
Jede/r im eigenen Lerntempo
Finni Fröhlich (10) aus einer öffentlichen Paradeschule, der Integrativen Lernwerkstatt Brigittenau (ILB), in der in Mehrstufenklassen sehr frei, projektmäßig und mit einer hohen Feedbackkultur gemeinsam gelernt wird (Lehrer_innen heißen hier Lernbegleiter_innen), hat nach der Teilöffnung genossen, „dass viel weniger Kinder in der Klasse waren. So war es viel ruhiger und man konnte sich besser konzentrieren. Ich find wichtig, dass jede und jeder im eigenen Tempo lernen kann und ich hätte gerne, dass ich beim Lernen Musik hören darf.“
In der Quarantäne schätzte sie, dass ihre Lehrer_innen fast jederzeit erreichbar waren.
Selber erarbeiten
Alisha Ahmed (14) aus dem BRG 16 am Ottakringer Schuhmeierplatz wünschte sich, dass sich die Lehrkräfte besser untereinander absprechen sollten – sowohl in Sachen Menge der Aufgaben fürs Distance-Learning als vor allem auch was die diversen Plattformen betrifft, die sie verwenden. Anfangs hätte sie sich ganz schwergetan, mit den verschiedenen Online-Tools zurecht zu kommen. „Da hat mir vor allem meine Freundin und Schulkollegin Johanna (Siller) geholfen. Wir haben jeden Tag viel telefoniert.“ Aber als sie diese Anfangs-Schwierigkeiten überwunden hatte, „hab ich über vieles besser Bescheid gewusst, weil wir sehr selbstständig recherchieren mussten/durften, da weiß man dann mehr als wenn die Lehrerin oder der Lehrer alles vorsagt.“
Außerdem gebe es eben verschiedene Lerntypen, die einen tun sich schriftlich, andere mündlich leichter.
Kleinere Klassen
Die schon erwähnte beste Freundin und Schulkollegin Johanna Siller (13) genoss vor allem nach der Teil-Öffnung die kleineren Klassen, wo sich alle besser konzentrieren und die Lehrerinnen und Lehrer besser auf jede und jeden einzeln eingehen konnten. Sie wünscht sich – was sich auch in der Studie häufig zeigte – „eigene Räume in der Schule für verschiedene Schwerpunkte für Themen, die einem Spaß machen“.
Vorsintflutliche Schul-EDV
Eine Parallelklasse desselben Gymnasiums besucht der 13-jährige Joel Ferraz-Leite. Er kritisiert die technische Ausstattung der Schule: „Die ganze EDV ist sehr veraltet, mehr als zehn Jahre und das sind für einen Computer schon zwei Leben.“ Gleiches gelte für die Software. Außerdem wünsht er sich, „dass Lehrerinnen und Lehrer mehr wertgeschätzt werden. Das ist ein so wichtiger Beruf und sollte viel mehr anerkannt und besser bezahlt werden“.
Brauchbares Feedback
So wie Finni Fröhlich in ihrer Schule Kind-Eltern-Lehrer_innen-Gespräche und damit eine gute Feedback-Kultur haben, so wünschen sich die drei genannten anderen Schüler_innen, dass es nur nichtssagende Noten, sondern brauchbare Rückmeldungen gäbe, was man gut könne und worin man sich verbessern sollte/müsste/könnte.
Joel Feraz-Leite ergänzte aus eigener Erfahrung: „Ich hab in Mathe eine 4, obwohl ich der beste in der Klasse bin, aber ich bin einfach sehr schlampig. Da sagt die Note nicht aus, was ich wirklich kann.“ Ferner nimmt er den bisherigen Fächerkanon aufs Korn. „Es sollte andere Gegenstände geben wie Menschenrechte und Sachen, die wir für später in unserem Leben brauchen zum Beispiel wie fülle ich eine Steuererklärung aus.“
Bewegtes Lernen
Elias Vana (8), dem es in der Kinderinfo vor allem die große Rutsche und die Kletterseile angetan haben, vermisste im Home-Schooling (natürlich) vor allem die Sportstunden. Auch nach der Teilöffnung „sind wir draußen nur gelaufen und durften nicht Fußball spielen“. Er verrät dem Kinder-KURIER einen genialen Vorschlag: „Ich würd’s gut finden, wenn wir uns in der Schule mehr bewegen dürfen, nicht nur in der Sportstunde. Man könnte doch zum Beispiel beim Laufen auch rechnen“. Außerdem wünscht er sich, dass lernen auch mit Video- und Computerspielen verbunden würden.
Zu einem ausführlichen Bericht über die Studie geht es hier unten.