Marco Dessí im Interview: „Design ist Dialog“
Von Julia Beirer
KURIER: Herr Dessí, die Möbelbranche produziert immer schneller. In Zeiten der Klimakrise sind neue Produkte kritisch zu hinterfragen. Geraten Sie als Designer in einen Interessenskonflikt?
Marco Dessí: Die Hersteller für die ich arbeite, sind anders. Daher musste ich noch nie ein schlechten Gewissen haben, dass mein Produkt in die Kategorie „eines zu viel“ fallen könnte. In meinem Portfolio finden sich viele Traditionsunternehmen, die hohen Qualitätsanspruch haben und meist nur wenig neue Produkte im Jahr entwickeln.
Wir haben teilweise auch Entwicklungszeiten von bis zu drei Jahren. Das sieht man den Produkten an und im Entwicklungsprozess hinterfragen wir uns und den Markt mehr als nur einmal. Dementsprechend glaube ich, dass ich einen positiven Beitrag zur zeitgenössischen Produktkultur leiste.
Marco Dessí (43) ist gelernter Zahntechniker. Für die Ausbildung ist er 2001 von Meran nach Wien gezogen. Danach studierte er Industrial Design an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. 2008 machte er sich selbstständig. Seither hat er mit Herstellern wie Wittmann, Lobmeyr und Thonet gearbeitet.
Wie sieht der positive Beitrag aus?
Produkte leben von den Ideen jeder Generation, Typologien ändern sich und der technologische Input ist ständig im Wandel. Ich versuche, diese Einflüsse wahrzunehmen und in meiner Arbeit zu berücksichtigen. So werden traditionelle Typologien, wie beispielsweise ein Luster, neu definiert.
Sie sind gelernter Zahntechniker. Hilft Ihnen diese Ausbildung heute?
Ja, definitiv. Als Zahntechniker hat man viel Materialkunde, muss sich mit Technologien beschäftigen, sei es Gusstechnik oder keramische Aufbrenntechniken. Außerdem muss man verstehen, wie die unterschiedlichen Technologien im Resultat zusammenspielen. Das ist ein komplexer Prozess und im Produktdesign das nicht anders.
Immer wieder ist zu lesen, dass Sie keinen bestimmten Stil haben.
Ich muss den Text auf meiner Webseite ändern (lacht). Meine Arbeitsweise ist mein Stil. Es geht eine Berechtigung für etwas Neues innerhalb eines Firmenportfolios zu suchen . Es geht mir darum das Wesen der Firma zu verstehen um daraus eine neue Geschichte zu erzählen.
Das ist ein nachhaltiger Ansatz. Der Dialog oder zumindest eine ähnliche Produktaffinität mit dem Hersteller ist da sehr wichtig Meine Arbeiten sind ein materialisierter Dialog. Ich suche Unternehmen, bei denen ich das Gefühl habe, dass es stimmig ist.
Würden Sie Firmen auch ablehnen?
Es gibt Hersteller, mit denen ich nicht arbeiten will. Meine Produkte sollen in einem Unternehmen präsentiert werden, das eine gewisse Produktkultur hat – mit der ich mich identifizieren kann.
Haben Sie auch am Anfang Ihrer Karriere Kunden abgelehnt? Oder ist das ein Luxus, den man sich erst mit erarbeitetem Namen leistet?
Ich werde nicht überfallen von Aufträgen, so ist es nicht. Mein Bekanntheitsgrad gibt meinen Produkten aber recht und man wächst in den Möbelmarkt hinein. Am Anfang habe ich radikalere Ideen verfolgt, die für den Markt nicht geeignet waren.
Damit konnte ich zwar Aufmerksamkeit generieren, aber die Entwürfe waren zu komplex und konnten teilweise nicht umgesetzt werden. Durch diese Problematik habe ich gelernt, meine Entwürfe so zu trimmen, dass sie für den Markt passen.
Hersteller wie Thonet und Wittmann haben eine klare Formensprache. Wie gelingt es Ihnen, sich im Entwurfsprozess nicht zu verlieren?
Ich möchte Produkte entwickeln, die die DNA der Firma verkörpert und ausstrahlt. Man kann Wittmann keine eindeutige Formensprache zuordnen. Wittmann ist im Kern ein Handwerksbetrieb, Ideen werden mit hoher handwerklicher Qualität umgesetzt.
In den letzten Jahren haben sie sich von einem eher konservativen Unternehmen zu einem designorientierten globalen Player entwickelt. Jeder Designer bringt neue Ideen in ein Unternehmen. Es ist immer ein Zusammenspiel und nie ein Kompromiss von Idealen.
Es gibt auch Phasen im Entwurfprozess in denen es wichtig ist, sich zu verlieren. Diese Momente bieten oft die größten Überraschungen.