Leben/Gesellschaft

"Bilder brennen sich ein": Wie der Terror Kinder belastet

"Ich habe meinem Kind gesagt, was bei dem Anschlag passiert ist, und es hat Unmengen an Detailfragen gestellt. Mein größeres Kind wirkte, als sei es gar nicht erschüttert", berichtete eine Mutter dem KURIER und sprach damit aus, was viele Eltern beschäftigt: "Wie behandeln wir Kinder und Jugendliche richtig in dieser Krise?"

Die dramatischen Ereignisse vom Montag wirken sehr unterschiedlich nach, weiß Birgit Satke von der Hotline "Rat auf Draht": "Bei uns kommen die Anfragen per Telefon und sehr viel über die sozialen Medien herein. Jugendliche, die über den Terror reden wollen, die weiterhin Angst haben. Und natürlich Eltern, die die Ereignisse mit ihren Kindern aufarbeiten wollen, damit sie ihnen nicht nachhängen."

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Was raten Experten?

Der Anschlag in Wien ist näher als alles andere, was die Kinder bisher mitbekommen haben, betont Hedwig Wölfl von der Kinderschutz-Organisation Die Möwe: "Terrornachrichten lösen Unsicherheit und Ängste aus, wichtig ist, das Vertrauen in die Gefahrenabwehr durch die Polizei stärken und das persönliche und familiäre Sicherheitsgefühl zu stabilisieren. Normalität ist wichtig."

Das Thema soll durchaus bewusst von den Eltern angesprochen werden, schließlich werden die Kinder an den Berichten nicht ganz vorbeikommen, betont Satke. "Versuchen Sie die Situation nicht herunterzuspielen oder abzuschwächen. Auf das Beschreiben grausamer Szenen oder Details sollten Sie aber in jedem Fall verzichten. Sie erzeugen Bilder im Kopf, die sich viel stärker einprägen als eine reine Erklärung der Vorfälle."

Das Wichtigste sei, die Kinder nicht in Panik zu versetzen. Eltern können zum Beispiel auch vermitteln, dass die meisten Menschen in Wien nicht unmittelbar von den schrecklichen Taten betroffen waren, und dass für sie das Leben weitergeht. Wichtig ist, dass jüngere Kinder nicht überwältigt werden: "Achten Sie darauf, dass Kinder unter zehn Jahren auf keinen Fall alleine Nachrichtensendungen ansehen - Bilder brennen sich ein."

Die Wiener Bildungsdirektion hat daher für 5- bis 10-jährige Kinder eine einfache Erklärung der Geschehnisse zusammengestellt:

Bei größeren Kindern und Jugendlichen tragen die sozialen Medien zu der Angst bei, weiß Medienpädagogin Barbara Buchegger von Safer Internet: "Es war das erste Mal so eklatant, dass die Jugendlichen über die sozialen Medien fast schneller informiert waren als die Erwachsenen über die klassischen Medien. Natürlich mit einer Menge an Fake News, die sie oft nicht einordnen können."

Die Bilder der Gewalt erinnerten an Computerspiele. Buchegger: "Das ist unsere Assoziation als Erwachsene, die das nicht spielen. Wer wirklich Ego-Shooter-Spiele kennt, erkennt sofort den Unterschied zur Realität. Sie fragen sich eher: Sind die Bilder echt oder inszeniert?"            

Am Abend des Anschlages wurden zahlreiche drastische Videos und Fotos in den sozialen Medien wie TikTok, Instagram und WhatsApp geteilt, hat Buchegger beobachtet: "Das ist auch eine Strategie, mit der Angst umzugehen. Man fragt in die Runde, wie es die anderen einschätzen und wie sie darauf reagieren. Und man tut etwas gegen das Gefühl der Ohnmacht."

Sinnvoller wäre es, als Aktivität solche Videos zu melden: "Es sind letztlich gewaltverherrlichende Inhalte und davon sollte es möglichst wenige im Netz geben. Nur leider sorgt der Algorithmus dafür, dass solche Videos noch mehr gepusht werden."

Mit Kindern und Jugendlichen sollte man besprechen, dass sie die Videos keinesfalls teilen und - je nach Alter - möglichst gar nicht ansehen sollen. "Man schaut das ja aus Neugier an und nicht wegen des Informationswertes." Buchegger warnt sogar aus rechtlichen Gründen, solche Videos zu teilen: "Man hat hier sogar Opfer genau gesehen, das verletzt den Opferschutz und auch das Jugendschutzgesetz wegen gewaltverherrlichender Inhalte. Man muss sich vorstellen, dass das vielleicht Verwandte oder Freunde des Opfers sehen, die gar nicht wussten, dass er dort ist."

Das klare Ziel solcher Attentäter ist, dass man ihre Taten wahrnimmt, warnt Buchegger: "Und wenn man sie verbreitet, macht man sich zu ihrem Handlanger."

Doch die Informationen aus der Wiener Innenstadt gehen den Jugendlichen nahe: Sie hätten selbst auch betroffen sein können oder ihre Freunde waren dort unterwegs.

Das ist ein Thema, das man mit seinem Kind ansprechen kann, um das Erlebte zu verarbeiten, so Satke: "Wie haben deine Freunde den Abend erlebt?" Auch wichtig für die Nachbesprechung: Einordnen, was von den Gerüchten des Terror-Abends tatsächlich gestimmt hat.

Einen Nachteil sieht Buchegger durch die gleichzeitige Corona-Krise: "Seit März dürfen derzeit keine externen Berater mehr in die Schulen kommen - und die Schüler und die Lehrer sind mit vielen Problemen alleine. Das merkt man jetzt schon."