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Architektur, die reinhaut

Man kann getrost behaupten: Die beiden griechischen Architekten ­Laertis Antonios Ando Vassiliou und Pantelis Kampouropoulos stehen eher auf Brechstange als auf feine Klinge.

Nicht nur, weil ihr erster Entwurf aus architektonischer Sicht schon auf den ersten Blick den Brutalismus zitiert. Auch nicht, weil ihr Erstlingsprojekt so aussieht, als hätte man es mit viel Kraft und einer überdimensionalen Axt in den Felsen gehauen. Selbst, dass es Casa Brutale heißt, ist noch zu wenig. Wirklich offensichtlich wird die Brechstangen-Philosophie, wenn wir den Fokus auf die Motivation zu diesem wahrlich spektakulären Klippenhaus-Konzept legen.

Casa Brutale wie aus Bond-Movie

Die an eine James Bond-Villa erinnernde Architektur – laut Konzept schwebt die Casa Brutale wie ein gigantisches Aquarium hoch über der Ägäis – ist nämlich knallharte Berechnung. „Unser Plan war es, mit diesem Konzept das Internet kaputt zu machen“, sagen die zwei heute 37-jährigen Architekten. Will heißen: Die beiden verfolgten von vornherein niemals das Ziel, ihre Casa Brutale jemals Realität werden zu lassen. Die Idee mit dem exzentrischen Entwurf sei letztlich eine Art Bewerbung gewesen, erinnern sie sich. Ganz nach dem Motto: "Träume groß. Entwirf groß. Publiziere groß."

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Nun, das ist ihnen definitiv gelungen. Nur wenige Tage nachdem die Männer mit dem Brechstangen-Marketing im Blut ihre Renderings publiziert hatten, gingen die Wogen auch schon hoch. Das Konzept schoss wie ein Pfitschipfeil durch die sozialen Netzwerke. Wir erinnern uns: „Internet kaputt machen!“ Nah dran, jedenfalls.

Jedenfalls direkt hinein, in einschlägige Architektur-Redaktionen, wo es von nahezu jeder Publikation dankbar abgedruckt wurde. Schließlich bekommt man nicht alle Tage ein zweigeschossiges Hauskonzept vorgelegt, das auf den ersten Blick wie ein einziger Swimmingpool aus Glas aussieht. Faszinierend und spektakulär, frage nicht.

Was kann die Casa Brutale eigentlich?

Aber sehen wir uns das kurz im Detail an: Nur zwei Bereiche der Casa Brutale sind von außen sichtbar. Das Oberflächenschwimmbecken und eine Treppe. Eine kleine Treppe führt den Besucher in den Wohnbereich, der aus einer riesigen Glasfassade besteht und einen atemraubenden Blick auf die gesamte Residenz bietet. Um die natürliche Schönheit der malerischen Umgebung nicht zu stören, ist die Einrichtung minimalistisch und besteht aus kühlen Betonoberflächen, die durch wunderschönes altes Holz ausgeglichen werden.

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Zudem spielt die Natur vor allem im Inneren des Hauses eine große Rolle. Sowohl die Frontverglasung als auch das Dach des Hauses dienen als Quellen für natürliches Licht. Das gigantische Dachfenster ist gleichzeitig der gläserne Pool, durch den man in die Tiefe blicken kann. So wird ein einzigartiger Effekt erzeugt, wenn man sich in dem Raum befindet: Die Sonne dringt durch das wogende Wasser, die Flüssigkeit streut das Licht und reflektiert brillante Muster auf den Böden und Wänden von Casa Brutale. Man bekommt einfach das Gefühl, sich viele Meter über der Wasseroberfläche aber in Wahrheit unter dem Meeresspiegel zu befinden.

Plötzlich ist ein Bauherr da

Bäm! Da war es nun also international in aller Munde. Fazit: Jede Menge Zuschriften. „Doch ein Interessent klang seriöser und ambitionierter als der Rest“, erinnert sich Laertis Antonios Ando Vassiliou. Ein libanesischer Bauunternehmer mit dem Namen Alex Demirdjian schien ernsthaft daran interessiert zu sein, Casa Brutale zu realisieren.

Was für eine Überraschung! Und vor allem: Was nun? Schließlich war die ganze Sache bloß als PR-Gag geplant. Aber: Ist das Teil überhaupt realisierbar? Wie sicher wäre es, wenn einmal errichtet? Würde das Haus einstürzen, wenn die Felsen innerhalb der Klippe abbröckeln? Ganz viele Fragezeichen!

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Die meisten davon dürften die Architekten allerdings geklärt haben. Inzwischen gab nämlich das niederländische Büro Open Platform for Architecture (OPA), unter dessen Flagge die Sache läuft, bekannt, dass das hochmoderne Projekt genug Geld erhalten habe, um mit dem Bau in Beirut, Libanon beginnen zu können.

Noch größer. Noch spektakulärer.

Konkret wurde auf dem Faqra-Berg außerhalb von Beirut in einer Höhe von 600 Meter ein Fleckchen Erde gefunden, wo sich das Konzept der Casa Brutale realisieren lassen würde. Allerdings wurde die Basis dafür ordentlich weiterentwickelt: Was als eine 1.938 Quadratmeter große Residenz gedacht war, hat sich nun auf 2.906 Quadratmeter erweitert. Zudem verfügt das Haus nun über eine Tiefgarage für bis zu drei Autos. Projekt-Budget: 2,5 Millionen Dollar.

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Um auch noch die letzten Probleme zu lösen, holte man sich mit Arup einen starken Partner an Bord. Nur zum Verständnis: Dieses weltweit tätiges Beratungsunternehmen mit Sitz in Amsterdam war für Projekte wie das Opernhaus in Sydney, das Vogelnest in Peking und das Rijksmuseum in Amsterdam mitverantwortlich.

Deren aktuelles Fazit: "Das Gebäude muss wetterfest gemacht werden – vor allem der Pool. Das Haus muss ordnungsgemäß im Fels verankert werden, und es muss sichergestellt werden, dass es stabil ist und den Kräften der Natur widerstehen kann", so Rachid Abu-Hassan, Projektleiter der Casa Brutale bei Arup.

Seiner Auffassung nach aber hätte man die größten Probleme aber bereits gelöst: „Dieses außergewöhnliche unterirdische Gebäude profitiert von einem perfekten homöostatischen Mechanismus. Das umgebende Erdreich sorgt für thermische Isolierung. Das Schwimmbad auf dem Dach des Gebäudes sorgt für die Kühlung. Die hohe thermische Masse spielt eine wichtige Rolle bei der erheblichen Senkung des Energieverbrauchs. So werden passive Heiz- und Kühlsysteme mit minimalem Energieverbrauch und höchstem Komfort genutzt.“

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Klingt doch alles wunderbar, möchte man meinen. Allein, dieser Status ist nun bereits zwei Jahre alt, seither gibt es kein Update über einen etwaigen Baufortschritt. Allein, auf den jeweiligen Websites der beteiligten Unternehmen wird das Projekt „Casa Brutale“ nach wie vor stolz gefeatured. Fast so, als wäre es längst finalisiert worden. Da fragt man sich natürlich: Was ist da los? Die Antwort könnte in der Person des libanesischen Bauherrn zu finden sein. Alex Demirdjian ist nämlich durchaus ein Mann, der nicht all zu viel von sich preis gibt.

Geheimnisvoller Bauherr

Was man weiß: Alex Demirdjian wurde am 22. Juni 1970 in Beirut, Libanon, in eine Familie mit einer langen Tradition des Unternehmertums und tiefen Wurzeln in der libanesisch-armenischen Geschäftswelt geboren. Er ist in leitenden Positionen in mehreren libanesischen Unternehmen tätig und fährt gerne Autorennen.

Vor allem aber fährt er ziemlich auf Privatsphäre ab. Vermutlich bietet die Casa Brutale tatsächlich längst irgendwo im Libanon ihren Bewohnern imposanten Weitblick. Einblick erhalten wir aber wohl nicht so bald. Was zugegeben wirklich schade ist.

Text: Johannes Stühlinger Bilder: OPA and LOOM Design

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