Chronik/Wien

Wiener Terrorprozess: Zwei Freisprüche, vier Verurteilungen

Erleichterte Angeklagte auf der einen Seite, regungslose auf der anderen. Lächelnde Angehörige und solche mit versteinerten Mienen. So endete am Mittwoch in der Nacht der Terror-Prozess am Wiener Landesgericht. Nach fast 13-stündiger Beratung kamen die Geschworenen zu einem Urteil. Zwei Frei- und vier Schuldsprüche. Nicht rechtskräftig.

Von den zentralen Anklagepunkten freigesprochen, durften den Großen Schwurgerichtssaal ein 23-Jähriger und ein 22-Jähriger verlassen. Bei ihnen handelte es sich um den "Chauffeur", der den Attentäter Kujtim F. nach Bratislava zu einem geplatzten Munitionskauf brachte und einen alten Freund, der ihm laut Anklage bei den Vorbereitungen half.

Vor allem Ersterer hatte am Vormittag, bei der letzten Möglichkeit vor der Entscheidung das Wort zu ergreifen, alles getan, um die Laienrichter von seiner Unschuld zu überzeugen.

"Schlechtes Date"

"Ich habe es bereut, als wir losgefahren sind. Aber wir haben im Auto nichts geredet, es war wie ein schlechtes Date", sagte er über die gemeinsame Fahrt in die Slowakei. Deshalb habe er auch nichts von den Anschlagsplänen gewusst. Er habe ihn nur zu dem Waffengeschäft gebracht, weil er endlich ein eigenes Auto hatte – sein ganzer Stolz.

Dass er Kujtim F. zur Tat motiviert habe, wollte der 23-Jährige F., der sich zuletzt als einziger Angeklagter nicht in U-Haft befand, nicht gelten lassen. Immer wieder versagte ihm in dem vollen Gerichtssaal die Stimme. Nach einem Räuspern schließlich: "Hätte ich was gewusst, hätte ich es gemeldet. Aber so was von."

Für sein finales Argument wandte sich der 23-Jährige direkt an die Geschworenen: "Kujtim wollte ins Kriegsgebiet, hat von einem Anschlag am Stephansplatz fantasiert und der Verfassungsschutz hat ihn nicht gestoppt. Aber ich hätte wissen sollen, was er mit der Waffe vorhat?" 

Nichts mehr zu sagen, hatte der Zweitangeklagte. Der zum Tatzeitpunkt noch junge Erwachsene schloss sich seinem Verteidiger an. Auch er wurde freigesprochen.  

Vier Schuldsprüche

Zu den Vorwürfen nichts mehr zu sagen hatte auch der Drittangeklagte Burak K. Der 24-Jährige soll Kujtim F. falsche Dokumente für eine Flucht nach dem Attentat besorgt haben. Er wurde schuldig gesprochen.

Philosophisch fielen am Mittwoch in der Früh die Schlussworte des Viertangeklagten Hedayatollah Z. aus. Der mehrfach vorbestrafte 28-Jährige, der bei dem Attentäter wohnte und ihm beim Aufmunitionieren der Waffe geholfen haben soll, zweifelte das DNA-Gutachten der Sachverständigen an. Dann holte er aus: "Man kann es Pech nennen, man kann es Schicksal nennen. Ich habe dort wegen Problemen mit meiner Frau gelebt."

Fehler in der Vergangenheit gab er zu, er habe sich dann aber gebessert, ein Studium begonnen und sei zum "Stubenhocker" geworden. Dieser Version wollten die Geschworenen keinen Glauben schenken – schuldig.

Dasselbe Urteil ereilte den Fünftangeklagten. Bereits sein Schlussvortrag mutete etwas skurril an. Adam M. wurde vorgeworfen, die Waffen für Geld an den Todesschützen vermittelt zu haben. Er hingegen betonte, in die Geschichte hineingeraten zu sein, mit "terroristischen Sachen" jedoch nie etwas zu tun gehabt zu haben.

"Ich war Security, aber nicht nur irgendein Security. Ich habe Hollywood-Stars bewacht." Bei Marathons sei er verantwortlich gewesen, dass "kein Wahnsinniger reinfahrt". Das FBI habe ihn außerdem seit seiner Kindheit überwacht. Ohne, dass ihm jemals etwas nachgewiesen wurde, betont er. Die Geschworenen waren davon offenbar nicht überzeugt.

Der Sechstangeklagte, Ishaq F., hielt sich kurz: „Hätte ich gewusst, wozu er fähig ist, hätte ich die verdammte Nummer nicht weitergegeben. Damit muss ich leben.“ Er soll für Kujtim F. den Kontakt zum Waffenhändler hergestellt haben. 

Wie die anderen drei Verurteilten wurde auch er wegen der Beteiligung an Mord schuldig gesprochen.

Lange Haftstrafen

Das Schwurgericht verhängte über die vier Angeklagten, die laut erstinstanzlicher Entscheidung den Attentäter unterstützt hatten, wegen terroristischer Straftaten in Verbindung mit Beteiligung am Mord zwei Mal die Höchststrafe, ein Mal 20 und ein Mal 19 Jahre Haft.

Die acht Geschworenen folgten beim Dritt-, Viert-, Fünft- und Sechstangeklagten im Kern der Anklage der Staatsanwältin, wobei die Männer mit Ausnahme des Fünftangeklagten als dem IS zugerechnet und für Verbreiter von entsprechendem Propagandamaterial schuldig erkannt wurden. Der Drittangeklagte wurde schuldig erkannt, den Attentäter von Mai 2020 bis zum Tag des Anschlags im Wissen um dessen Absichten unterstützt, das Anschlagsziel mitausgesucht und Fluchtvorbereitungen getroffen zu haben, indem er gefälschte Papiere besorgte. Er bekam dafür 20 Jahre Haft.

Beim Viertangeklagten wurde angenommen, dass dieser den Attentäter ab Juli 2020 bis zum Tag des Anschlags zur Tatausführung bestärkte sowie die Tatwaffen samt Munition und weitere Utensilien in der Wohnung des Attentäters vorbereitet hatte. Für ihn setzte es eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Beim Fünftangeklagten gelangten die Geschworenen mit 5:3 Stimmen zur Ansicht, dass dieser dem Attentäter im Juni 2020 die beim Anschlag verwendeten Schusswaffen - ein Sturmgewehr und eine Pistole - und die passende Munition vermittelt und übergeben hatte. Für die Laienrichter war damit - wenn auch nicht im Rahmen einer terroristischen Vereinigung - der Tatbestand der Beteiligung am Mord erfüllt. Er wurde ebenfalls zu lebenslanger Haft verurteilt.

Junges Alter bewahrte Angeklagten vor "lebenslang"

Ähnlich sahen es die Geschworenen beim Sechstangeklagten, bei dem dem Wahrspruch zufolge davon ausgegangen wurde, dass er die Abwicklung des Waffen- und Munitionskaufs mitorganisierte und dem Attentäter den Kontakt zum Fünftangeklagten vermittelte, indem er ihm dessen Telefonnummer übergab.

Beim Sechstangeklagten wurde jedoch angenommen, dass dieser an einer terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er kassierte dafür 19 Jahre Haft - da er noch als junger Erwachsener zu betrachten war, war bei ihm eine lebenslange Freiheitsstrafe ausgeschlossen.

IS-Mitgliedschaft nachgewiesen

Zwei Angeklagte wurden zwar vom Vorwurf der Beteiligung am Mord freigesprochen. Sie fassten jedoch wegen Mitgliedschaft in der radikal-islamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) und Verbreitung von IS-Propagandamaterial jeweils zwei Jahre Haft, davon acht Monate unbedingt aus.

Beim Erstangeklagten fehlte den Geschworenen der Beweis, dass dieser - wie von der Anklage inkriminiert - den Attentäter psychisch und bei der Planung und Vorbereitung des Anschlags unterstützt und am 21. Juli 2020 im Wissen um dessen mörderische Pläne in die Slowakei chauffiert hatte, wo dieser Munition für das beim Attentat verwendete AK-47-Sturmgewehr kaufen wollte. Wegen Mitgliedschaft beim IS und Verbreitung von Propagandamaterial erhielt er 24 Monate, davon acht Monate unbedingt.

Beim Zweitangeklagten wurde entgegen der Anklage nicht angenommen, dass dieser dem Attentäter am Tag des Anschlags bei Tatvorbereitungen und bei der Auswahl des Anschlagsziels behilflich war und ihn im Entschluss zur Tatbegehung bestärkt hatte. Als IS-Propagandist fasste er ebenfalls 24 Monate aus, wovon acht Monate unbedingt ausgesprochen wurden.

Sämtliche Urteile sind nicht rechtskräftig.

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