Wiener Spitalsarzt niedergestochen: Patient wird eingewiesen
Von Konstantin Auer
Der ehemalige Patient des Arztes, den dieser am 10. Juli im Wiener Sozialmedizinischen Zentrum (SMZ) Süd niedergestochen und lebensgefährlich verletzt hat, hat eine "paranoide wahnhafte Störung". Das erklärte die Psychiaterin Sigrun Roßmanith am Mittwoch am Wiener Landesgericht.
Obwohl J. ruhig und introvertiert wirke, stehe er in Wirklichkeit unter hohem Druck. Nach drei Untersuchungen des 33-Jährigen sagte Roßmanith, dass der Patient sich seiner Herzerkrankung - er hat einen Herzschrittmacher - ausgeliefert sehe. Seine Wahrnehmung sei dadurch eingeengt und "krankhaft verzerrt" worden. Das habe ihn schlussendlich dazu getrieben, seinen behandelnden Arzt aufzusuchen und ihn anzugreifen. Er rammte ihm eine 21-Zentimeter lange Messerklinge fast vollständig in den Bauch.
Die Staatsanwältin schloss sich der Einschätzung der Psychiaterin an und forderte deshalb die Einweisung des Mannes aus Sierra Leone, der seit 2004 in Österreich lebt, in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Die Geschworenen unter dem Vorsitz von Richter Patrick Aulebauer stimmten dem zu.
Doch von Anfang an: Seit 2011 trägt J. wegen einer schweren Herzerkrankung einen Herzschrittmacher. Im Mai erlitt er drei Schocks, woraufhin er das SMZ aufsuchte. Der Arzt kontrollierte den eingesetzten Defibrillator, es schien aber alles gestimmt zu haben. J. sah das anders. An diesem Tag fühlte er sich nicht richtig behandelt.
Marien-Erscheinung
Am 10. Juli wollte er eigentlich zu einem Termin beim AMS fahren. Am Weg dorthin sei ihm aber die Heilige Maria erschienen, sie habe zu ihm gesagt: "Wegen deiner Probleme solltest du ihn (den Arzt; Anm.) wegmachen", erklärt J. ruhig, aber in Englisch und mit starkem Akzent.
Daraufhin fuhr er ins Spital, wartete im vollen Wartezimmer. Als der Arzt vorbeikam, stach er zu. Danach soll er sich wieder hingesetzt haben, sogar versucht haben, die anwesenden Patienten zu beruhigen und habe auf seine Festnahme gewartet, wie Zeuginnen schilderten.
Eine Notoperation und die schnelle Reaktion der Kollegen, denen er nur noch "Stich, Stich" zurief, rettete dem Mediziner das Leben. Nach vier Tagen konnte er schon wieder erste Schritte gehen. Der Patient sei ihm zuvor nie aggressiv vorgekommen.
Vor Gericht will sich J. an die Tat selbst nicht mehr erinnern. Auch beschrieb er den Arzt am Mittwoch als "guten Mann", er hätte ihn nicht niederstechen wollen. Sein Pflichtverteidiger stimmte dem Antrag der Staatsanwältin zu. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Zum Ende seiner Befragung entschuldigte sich der 33-Jährige, der am Gericht in kurzen Hosen und mit Schlapfen erschien, bei dem Doktor, seiner Familie und der Republik Österreich.