Chronik/Wien

Wien öffnet 36 Straßen für Fußgänger: Wie Hebein Ludwig umstimmte

Der Donnerstag war für die zunehmend zerstrittene Wiener Stadtregierung so etwas wie der Tag der Versöhnung. Nach fast zwei Wochen des Zanks über den Vorstoß der grünen Vizebürgermeisterin Birgit Hebein, Straßen während der Corona-Krise für Fußgänger freizugeben, verkündete Rot-Grün in einer gemeinsamen Pressekonferenz eine Einigung.

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Insgesamt 36 Straßen werden in temporäre Fußgängerstraßen oder Begegnungszonen umfunktioniert. Der KURIER beantwortet die sieben wichtigsten Fragen dazu.

1. Was sind Fußgängerstraßen und wo kommen sie?

Zur Erinnerung: Fußgängerstraßen sind Straßen, in denen Autos verboten sind und Fußgänger die Fahrbahn betreten dürfen. Möglich macht das eine Gesetzesnovelle, die der Nationalrat erst am Freitag beschlossen hat. 20 derartige Fußgängerstraßen gibt es ab heute, Freitag, in Wien.

 Zusätzlich zu den temporären Begegnungszonen wandelt die Stadt folgende 20 Straßenzüge, auf denen bereits ein Fahrverbot verordnet ist, komplett oder teilweise in Fußgängerstraßen um:  
    
1., Habsburgergasse
2., Nordportalstraße
2., Stella-Klein-Löw-Weg
13., Weidlichgasse
13., Woinovichgasse
16., Gallitzinstraße
16., Vogeltenngasse
16., Schmedesweg
17., Anton-Haidl-Gasse
17., Schaukalstraße
17., Artariastraße (zweigeteilt)
17., Scherlandgasse
17., Naaffgasse
18., Utopiaweg
19., Bellevuestraße
19., Grinzinger Steig
19., Strehlgasse
21., Pfarrer-Matz-Gasse
23., Willergasse

Und zwar ausschließlich in Straßen, wo auch bisher bestimmte Fahrverbote gegolten haben. Etwa Straßen, in denen nur Anrainerverkehr erlaubt ist. „Wir ermöglichen dort lediglich das Gehen auf der Fahrbahn. Es werden keine zusätzlichen Straßen gesperrt“, so Hebein.

2. Welche Straßen werden Begegnungszonen?

Die Rechte Bahngasse, die Florianigasse, die Hasnerstraße und die Schopenhauerstraße. Autos dürfen dort ab Freitag zwar unterwegs sein, aber nur mit maximal 20 km/h. Und: Fußgänger dürfen die gesamte Fahrbahn nutzen.

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„Fünf weitere Begegnungszonen“ sollen im Laufe der nächsten Woche folgen, kündigte Hebein an. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich: Betroffen sind fünf weitere Bezirke. Dort werden in insgesamt zwölf Straßenzügen Begegnungszonen verordnet.

3. Was soll das bringen?

Ziel der Straßenöffnungen ist, vor allem in dicht bebauten Grätzeln Platz für Fußgänger zu schaffen und ihnen das Einhalten des Mindestabstands zu erleichtern. „Es gibt Menschen, die keinen Park zur Verfügung haben. Sie brauchen Platz, um hinauszugehen und Luft zu schnappen“, sagt Hebein.

4. Stadtchef Michael Ludwig hatte beim ersten Vorstoß der Grünen noch Bedenken. Warum ist er jetzt dafür?

Für die FPÖ ist Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) nun ein „Umfaller“, habe es doch zuletzt aus der SPÖ Kritik an der Idee der Grünen gegeben. Ludwig hingegen wird nicht müde zu betonen, nie prinzipiell gegen Straßenöffnungen gewesen zu sein.

Ein Problem sei gewesen, dass die Grünen sie in der Vorwoche „überhastet“, „quasi über Nacht“ hätten einführen wollen, heißt es aus seinem Umfeld. Dafür habe man keine Notwendigkeit gesehen und eine Prüfung gefordert. Hebein habe ihm nun versichert, dass „das gut funktionieren wird“, betonte Ludwig am Donnerstag.

Groß dürfte der Widerstand in der SPÖ gegen die Begegnungszonen ohnehin nicht sein. So feiert die SPÖ Ottakring auf Facebook, dass eine solche in der Hasnerstraße entsteht.

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Und auch die rote Hernalser Bezirksvorsteherin Ilse Pfeffer wünscht sich für ihren Bezirk eine temporäre Begegnungszone – konkret in der Kalvarienberggasse.

5. Wie lange bleiben die temporären Öffnungen?

Die vier fixierten Begegnungszonen sind bis Anfang Mai befristet. Wenn nötig, können sie laut Hebein verlängert werden. Die gesetzliche Möglichkeit, Fußgängerstraßen einzurichten, läuft Ende 2020 aus.Deshalb befürchtet mancher Roter, dass die geöffneten Straßen bis vor die Gemeinderatswahl im Herbst Thema bleiben könnten.

Die SPÖ hat da nichts zu gewinnen: Grün-Affine werden Hebein für diese Maßnahme abfeiern, verärgerte Autofahrer hingegen ihr Kreuz bei der ÖVP oder gar bei der FPÖ machen, heißt es. Vor diesem Hintergrund – und wegen des Vorpreschens der Grünen – verstehen nicht alle in der SPÖ, warum Ludwig überhaupt zugestimmt hat.

6. Mehrere Bezirksparteien kritisieren die Öffnungen. Können sie ein Veto einlegen?

Keines, das mehr als symbolischen Wert hat. Damit die MA 46 Straßenöffnungen verordnen kann, braucht es ein Ermittlungsverfahren. Darin kann der Bezirk eine Stellungnahme abgeben. Die Behörde ist aber befugt, die Einwände zu übergehen.