Verkehrsplaner will den Lobautunnel ausbremsen
Von Bernhard Ichner
Die Bewilligung der S1 inklusive Lobautunnel wäre „ein Schuss ins Knie“, meint Hermann Knoflacher. Der geistige Vater der autofreien Innenstadt und renommierte Verkehrsplaner der TU Wien meldet sich auf Einladung des „Forum Wissenschaft & Umwelt“ (FWU) zu Wort – und lässt kein gutes Haar an der Schnellstraße, die quer durch den Nationalpark verlaufen soll: Das "Großprojekt aus Alt-Betonzeit" (wie Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation VIRUS den Lobautunnel nennt) schade Natur und Wirtschaft, führe zu mehr statt zu weniger Verkehr und konterkariere das Klimaziel, Österreich bis 2040 -neutral zu machen.
Zudem stehe die geplante Nordostumfahrung von Schwechat bis Süßenbrunn (S1) im Widerspruch zur Bundesverfassung. Denn die schreibe beim Einsatz öffentlicher Mittel Zweckmäßigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit voraus. Und nichts davon treffe auf das geplante Bauprojekt der Asfinag zu, meint Knoflacher.
Die Projektgegner – FWU, Bürgerinitiativen, VIRUS sowie der WWF – fordern daher einen Planungsstopp und ein alternatives Milliardenpaket für den öffentlichen Verkehr.
Appell an die Politik
Die Asfinag hat sich punkto S1 ein rascheres Vorankommen, mehr Sicherheit sowie mehr Lebensqualität zum Ziel gesetzt. Für Knoflacher „falsche Behauptungen“.
Denn innerstädtisch lege man über das bestehende Straßennetz deutlich kürzere Distanzen zurück als über die S1. Der Straßenverkehr sei Hauptunfallursache. Und da der Autobahnbau Natur zerstöre und Lärm verursache, werde auch die Lebensqualität der Anrainer beeinträchtigt. „Das Projekt ist also nicht zweckmäßig.“
„Und sparsam auch nicht: Je nach Schätzung werden 1,9 bis 4,5 Milliarden Euro in zehn Kilometer Straße investiert. Das Geld würde für 100 bis 200 Kilometer Straßenbahn reichen“, sagt der Verkehrsplaner. „So bekämen Floridsdorf und die Donaustadt super Verbindungen, die man auch ins Umland führen könnte – wodurch die Marchfeldschnellstraße S8 überflüssig wäre.“
SPÖ, ÖVP und FPÖ wollen Tunnel
Außerdem schädige die Asfinag die Wirtschaft: Boden werde zerstört, Landschaft entwertet und Wertschöpfung aus der Region abgezogen. Dazu käme der negative Einfluss aufs Klima.
Außer an die Stadt appelliert Knoflacher daher an Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne), das Projekt zu stoppen. Bei ihr sehen auch die Tunnel-kritischen Neos in Wien das letzte Wort. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) erachtet den Lobautunnel dagegen als „wichtig für die Stadt“ – genau wie ÖVP und FPÖ. Allerdings, heißt es aus dem Rathaus, sei nun ohnehin das Gericht am Zug.
Wie berichtet, eruiert zurzeit der Verwaltungsgerichtshof, ob das Projekt umweltverträglich ist. Bei der Asfinag rechnet man im ersten Halbjahr 2021 mit einer Entscheidung. Diese gelte es abzuwarten. Zudem sind noch naturschutz- und wasserrechtliche Bewilligungen ausständig. Der Baubeginn 2021 ist also fraglich.