Verbindungsbahn: Viel kritisiertes Projekt nimmt Gestalt an
Von Julia Schrenk
Karl Kornherr sitzt bei einem Mineral-Zitron am Fensterplatz in "Seidls Kaffee & Kuchen" in Hietzing, als ein anderer Gast das Café betritt. "Jetzt waren gerade die Knilche da", informiert er die Gäste. Die "Knilche", damit sind die Verantwortlichen bei den ÖBB gemeint, die Montagvormittag Neuigkeiten zur Verbindungsbahn an Ort und Stelle präsentierten.
Die Skepsis gegenüber dem Projekt, das die ÖBB bis 2026 realisieren wollen, ist noch immer groß. "Was is'n des für a Idee?", fragt Karl Kornherr.
Die Idee, um im Jargon von Herrn Kornherr zu bleiben ist, die bestehenden Bahn-Verbindungen zwischen dem Westen und Osten der Stadt zu attraktivieren. Der KURIER berichtete. Weil die Stadt bis 2030 auf zwei Millionen Einwohner wachsen soll, muss auch das Öffi-Angebot ausgebaut werden. Ziel ist des Projekts ist es, mehr Menschen dazu zu bringen, vom Auto auf die S-Bahn umzusteigen.
Konkret bedeutet das: Statt bisher nur ein oder maximal zwei Mal pro Stunde, soll alle 15 Minuten eine S-Bahn von Wien-Hütteldorf nach Asparn-Nord fahren. "In 30 Minuten quer durch Wien", so lautet das Motto. Die Kosten in der Höhe von 270 Mio. Euro teilen sich ÖBB und Stadt auf: 200 Mio. Euro werden die ÖBB zahlen, die restlichen 70 Mio. Euro die Stadt Wien.
Auf der Strecke wird es Umsteigemöglichkeiten zu allen fünf U-Bahn-Linien, sowie dem Bahnhof Meidling und dem Hauptbahnhof geben, wie die folgende Grafik zeigt:
Für die Verdichtung der Intervalle sind allerdings massive Umbauarbeiten notwendig: Die bestehende Station in Speising muss umgerüstet werden, auf der Stranzenbergbrücke und in der Hietzinger Hauptstraße müssen überhaupt erst Haltestellen errichtet werden. Jene in der Hietzinger Hauptstraße wird über eine Hochtrasse geführt werden. Wie das künftig ausschauen soll, zeigen die ÖBB in einer Visualisierung:
5,80 Meter über dem Boden wird die Trasse geführt werden. Wenn alles nach Plan läuft - das heißt, wenn die Umweltverträglchkeitsprüfung (UVP) Anfang 2020 eingeleitet und 2021 mit den Vorarbeiten begonnen werden kann - könnte ab 2023 tatsächlich gebaut werden.
Und daran gibt es massive Kritik aus dem Bezirk.
Schon im März dieses Jahres hat das Bezirksparlament einen Allparteienantrag eingebracht; darin werden zwölf Punkte aufgelistet, die aus Sicht des Bezirks umzusetzen sind. Darunter etwa die Anbindung der Verbindungsbahn an die Vorortelinie S45, ein Verbot von Güterverkehr zwischen 22 Uhr und 6 Uhr Früh sowie eine rechtlich verbindende Zusage über den 15-Minuten-Takt.
"Wir sehen das Projekt total kritisch", sagt Hietzings Bezirksvorsteherin Silke Kobald (ÖVP). Die ÖBB bauen das so, wie es für ihren Betrieb am besten ist, nicht für die Menschen." Dass bei der Veitingergasse/Jagdschlossgasse für den motorisierten Verkehr keine Querungen mehr möglich sein werden, sei ein "großes Problem. Und dafür, dass unser tägliches Bedürfnis nicht der Weg in die Seestadt ist, nehmen wir ohnehin schon viel in Kauf", sagt die Bezirkschefin.
Auch die Chefin von "Seidl's Kaffee & Kuchen" hält sich nicht mit Kritik zurück - schließlich ist Halina Seidl selbst vom Bau der Verbindungsbahn betroffen. Ihr Würstelstand gleich neben dem Café muss - genauso wie das Blumengeschäft auf der anderen Seite der Gleise - wegen der Bauarbeiten sogar abgerissen werden."Und weil mein Stand Eigentum auf ÖBB-Grund ist, muss ich den Abriss sogar selber zahlen", sagt Halina Seidl.
Ihre acht Mitarbeiter wird sie nicht behalten können, erzählt sie. "Ich stell mich dann allein in mein Café", sagt Halina Seidl. Alles andere gehe sich nicht aus.