Terrorprozess: "Der Attentäter war ein ängstlicher Mensch"
Es sollten nur noch wenige Stunden vergehen, bevor Wien-Attentäter Kujtim F. am 2. November 2020 zu seiner Wahnsinnstat in der Wiener Innenstadt schritt und vier Menschen erschoss. Seine Freunde Ismail B. (22 Jahre) und Burak K. (24) trafen auf Kujtim F. Angeblich, um ihm ein Buch zu übergeben.
Zwei Jahre später sitzen die beiden jungen Männer im Großen Schwurgerichtssaal im Landesgericht für Strafsachen in Wien nebeneinander. Als zwei von insgesamt sechs Angeklagten, die den Attentäter bei seinen Vorbereitungen unterstützt haben sollen.
Ismail B. erzählt, schon seit Jahren mit Kujtim F. befreundet gewesen zu sein. „Ist Ihnen etwas aufgefallen bei ihm? Hat er sich verändert?“, fragt der Richter. „Er hat zugenommen und einen Bart bekommen“, sagt der Angeklagte. Sonst habe sich sein Freund nicht verändert. „Er war ein introvertierter Mensch, ängstlich. Er war nicht aggressiv, ging Konflikten aus dem Weg. Deshalb ist das Attentat für mich ein kompletter Widerspruch.“
Dass Kujtim F. bereits eine Haftstrafe verbüßt habe, sei ihm bekannt gewesen. „Aber er wollte sich bessern“, sagt er.
"Belangloses Gespräch"
Am Tag des Attentats habe er mit seinem Freund ein religiöses Buch vorbeigebracht – dieses Buch wurde allerdings nie gefunden. „Wir haben uns im Stiegenhaus getroffen, über Belangloses gesprochen.“ Als es Gebetszeit war, habe er Kujtim F. gebeten, in die Wohnung zu gehen und dort zu beten. „Aber er hat es uns nicht erlaubt. Dann sind wir wieder gegangen.“ Das sei nicht außergewöhnlich gewesen. „Das war seine Art.“
Dass er gläubig ist, daraus macht Ismail B. keinen Hehl. Wie gläubig? "Schon streng", erklärt er.
Kujtim F. habe ihm später noch eine Nachricht geschickt. „Die habe ich aber erst nach dem Anschlag gesehen.“
Als die ersten Nachrichten des Anschlags die Runde machten, rief die Mutter des Attentäters bei seiner Mutter an. Sie wiederum meldete sich bei ihrem Sohn. „Weißt du, wo Kujtim ist?“, habe sie gefragt. Dann sei er nach Hause gefahren.
Was den Richter irritiert: Am Tag des Anschlags kündigte der Mann zum einen seine Mitgliedschaft im Fitnesscenter. Außerdem verließ er eine Chat-Gruppe, in der auch der Attentäter war. „Ein eigenartiges Datum“, stellt der Richter fest. „Zufall“, entgegnet der Angeklagte.
Der Reisegefährte
Auch Burak K. war am Nachmittag des 2. November 2020 bei Kujtim F. Der Attentäter sei "ruhig" gewesen an dem Nachmittag, beschreibt er. Er wurde außerdem im Jahr 2019 verurteilt, weil er mit ihm nach Syrien ausreisen wollte. "Ursprünglich wollten wir nach Afghanistan. Es ging nicht nur um den Krieg. Wir wollten dort leben." "Was ist in Afghanistan besser als in Österreich?", fragt der Richter. "Das ist ein islamischer Staat."
Nach der Verurteilung habe sich seine Einstellung zum IS geändert, sagt Burak K. "Warum haben Sie dann IS-Propaganda verschickt?", will der Richter wissen.
Burak K. kommentierte am 2. November auch noch ein Video, das ihm Kujtim F. via Instagram geschickt hatte. "Je Je", schrieb er darunter. "Das bedeutet so viel wie Ja, ja", erklärt der Angeklagte.
Auf dem Video ist ein Mann zu sehen, der arabisch spricht. "Sprechen Sie arabisch?" - "Nein." - "Warum stimmen Sie dann zu?" - "Das habe ich nicht." - "Was wenn der sagt, vergiss Allah, werde Christ?" Das sagte der Mann im Video allerdings nicht. Das Video war sogar mit dem Hashtag "Islamischer Staat" versehen.
Auch über das örtliche Umfeld des Anschlags wisse er nicht so genau bescheid. Allerdings hatte er zumindest das Nobellokal "Le Salzgries" gegoogelt - dort wollte Kujtim F. hinein. "Ich kenne das Lokal nicht", sagt Burak K. "Ich wollte schauen, wo man essen kann", erklärt er wenig später. "Weil Sie so gerne Französisch essen?", wundert sich der Richter. "Das ist etwas ganz Normales", meint der Angeklagte.
Mit dieser Verhandlung wurden nun alle Angeklagte einvernommen. Der Prozess wird am Dienstag, 20. Dezember, mit den ersten Zeugenbefragungen fortgesetzt. Geladen werden Zeugen, die weiter erläutern sollen, wie der Attentäter zu Waffen und Munition kam.