Chronik/Wien

Pierogi für alle: Wiener Wirt bekocht Obdachlose

Spinatknödel, faschierte Laibchen mit Kartoffelpüree und polnische Pierogi (gefüllte Teigtaschen) stehen an diesem Tag auf der Speisekarte. Letztere sind „die Spezialität des Hauses, nach einem alten Familienrezept gekocht“, verrät Daniel Trattner, bevor er die heißen Teigtascherl in einen weißen Essenskarton verpackt und einem wartenden Kunden durch das Fenster nach draußen reicht. „Dafür bin ich extra aus dem 10. Bezirk angereist“, gesteht dieser.

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Seit der Corona-bedingten Schließung des Restaurants Resselpark Anfang November bekommt man das Essen dort ausschließlich zum Mitnehmen. Vor allem Stammkunden nutzen das Angebot.

Doch es richtet sich auch an jene, die es sich nicht leisten können, zu bezahlen. Gerade im Resselpark am Karlsplatz finden sich häufig hilfsbedürftige und obdachlose Menschen ein.

Kochen für die Caritas

Ausschlaggebend für die Aktion war der erneute Lockdown: „Im Frühjahr hatten wir zwei Monate lang geschlossen und nichts zu tun. Das wollten wir unseren Mitarbeitern nicht noch einmal antun. Also haben wir uns entschieden, Take-away anzubieten. Wir wollen nichts verschwenden und alle Portionen, die wir kochen, auch loswerden“, betont der Gastronom Trattner.

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Der 25-Jährige studiert Betriebswirtschaftslehre auf der Wirtschaftsuniversität Wien und führt das Lokal seit knapp zwei Jahren. Davor hatte hier 18 Jahre lang seine Mutter das Sagen. „Ich bin in diesem Lokal groß geworden“, erzählt Trattner, „da hängen einige Kindheitserinnerungen dran.“ Nicht zuletzt deswegen will er den Betrieb erfolgreich durch den Lockdown führen. Trattner ergänzt: „In Zeiten wie diesen sollte jeder jedem helfen.“

Ab Dezember beliefert das Restaurant Resselpark auch das Tageszentrum der Caritas am Hauptbahnhof – und zwar täglich. Vergangenen Samstag gab es einen ersten Probelauf: 30 Liter Hühnereintopf – rund 80 Portionen – lieferte Trattner in einem riesigen Topf mit seinem Auto zum Tageszentrum.

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Den Klienten habe es geschmeckt, erzählt Leiter Günter Wimmer: „Zu uns kommen täglich etwa 70 Personen, die wir damit versorgen können. Es ist natürlich großartig, dass ein Unternehmer in dieser schwierigen Zeit auch an uns denkt.“

Corona hat die ohnehin schon schwierigen Lebensumstände von obdachlosen Menschen noch weiter verschärft: Unter Einhaltung der notwendigen Abstands- und Hygienemaßnahmen können in der Tagesstätte derzeit nur 40 statt der üblichen 75 Schlafplätze angeboten werden. Vor Kurzem verabschiedete die Stadt Wien ein Winterpaket: 900 zusätzliche Schlafplätze sowie ein 24-Stunden-Betrieb in allen Notquartieren sollen den Betroffenen durch den Winter helfen und sie davor bewahren, die derzeit geltende Ausgangssperre zu verletzen.

Hoffen auf Dezember

Die Kooperation zwischen dem Restaurant Resselpark und der Caritas läuft jedenfalls bis Februar. „Für uns ist das kein großer Aufwand: Wir beginnen in der Früh um 9 Uhr zu kochen. Wenn das Essen fertig ist, liefere ich es ab. Spätestens um 11 sind wir in der Küche dann wieder bereit für unsere Mittagsgäste“, rechnet Trattner vor.

Das ist zumindest der Plan, sofern die Gastronomie im Dezember wieder öffnen darf. Die Innenräume des Lokals sind jedenfalls bereits weihnachtlich geschmückt. Im Gastgarten steht eine Hütte, ein „Soul X-Mas“ mit Musik und Punsch ist angedacht.

„Wir können nur hoffen“, zeigt sich Trattner optimistisch.

Tageszentrum der Caritas

Im Tageszentrum  der Caritas (4., Wiedner Gürtel 10)  können sich obdachlose Menschen ausruhen, duschen, und ihre Wäsche waschen. Außerdem bekommen sie eine Mahlzeit. Es ist 7 Tage die Woche und 24 Stunden am Tag geöffnet

Kältetelefon

Beim Kältetelefon (01 480 45 53) kann man den Schlafplatz eines obdachlosen Menschen melden. Sozialarbeiter des Kältebusses gehen den Anrufen nach und versorgen die Betroffenen vor Ort mit dem Nötigsten wie Decken, Schlafsäcken und Essen