Neun Schläge für Demonstranten: "Das macht ja keinen Spaß"
Einmal mehr war es ein Handyvideo, das zwei Polizisten vor das Landesgericht für Strafsachen in Wien brachte. Konkret geht es um einen Zwischenfall bei der Klimademo vom 31. Mai 2019. Auf den Videobildern ist zu sehen, wie zwei Polizisten auf einem Demonstranten knien. Ein weiterer Beamter schlägt dem Mann gezählte neun Mal in die Seite. Zu hören ist, wie jemand schreit: "In die Nieren!"
Herr K., der Demonstrant, erlitt bei der Amtshandlung mehrere Hämatome und eine Prellung der rechten Niere. Schon im Vorfeld stellte das Verwaltungsgericht Wien fest, dass die Polizisten bei der Amtshandlung weit übers Ziel hinaus geschossen hatten. Noch mehr: Der Einsatz war demütigend.
"Video spricht für sich"
Doch am Freitag ging es um viel mehr. Zwei involvierte Beamte mussten sich im Landesgericht für Strafsachen wegen Körperverletzung, Ausnützung einer Amtsstellung und Missbrauchs der Amtsgewalt verantworten. Denn der Amtsvermerk, der verfasst worden ist, kann definitiv nicht stimmen. Oder wie es Opferanwältin Alexia Stuefer am Freitag ausdrückte: "Das Video spricht für sich."
Fest steht: Der Einsatz war mit einem gewissen Chaos verbunden. Demonstranten hatten im Bereich der Urania eine Sitzblockade errichtet. Einige hatten sich an einer Brücke angekettet. Die Polizei musste die rund 100 Personen einzeln wegtragen. Auf Kooperation konnten sie dabei nicht hoffen.
"Hea auf damit!"
Einer dieser Demonstranten war eben Herr K. Drei Polizisten waren nötig, um ihn auf die Seite zu tragen und seine Identität zu klären. Doch das war alles andere als einfach. Ein Polizist stürzte. Hektik brach aus. "Ich habe nur mitbekommen, dass das ein Widerstandler ist, wie man bei uns sagt", erklärt der angeklagte Revierinspektor. Er eilte den Kollegen zu Hilfe. Gemeinsam versuchte man, die Arme des Mannes zu fassen. "Er hätte ja eine Waffe haben können." Doch Herr K. lag mit dem Bauch am Boden, hatte die Arme vor sich verschränkt. "Hea auf damit, gib' die Händ frei!", hätte man an ihn appelliert. Als das nichts half, setzte es neun Schläge in die Niere.
"Kein Polizist will jemanden Schmerzen zufügen", sagt der Revierinspektor. "Das macht ja keinen Spaß. Aber es gibt Situationen, in denen es nicht anders möglich ist." Er habe die Schläge in die Seite als gelindestes Mittel angesehen.
"Wie viele Einsatztechniken kennen Sie?", fragt die Richterin.
""Zirka zehn. Aber keine wäre geeignet gewesen", erklärt der Revierinspektor. Geeignetere würden nur speziell geschulte Beamte, etwa die WEGA, beherrschen. Doch die sei damit beschäftigt gewesen, die angeketteten Demonstranten zu entfernen.
"Die Tippse war ich"
Der zweite angeklagte Polizist war jener, der beim Wegtragen des Demonstranten gestolpert war und auf dem Mann zu liegen kam. "Er muss sich gewehrt haben, sonst hätt' ich nicht plötzlich sein Bein in der Hand gehabt", sagt er. Doch von Gegenwehr ist auf den Videos nichts zu erkennen. Der Kontrollinspektor war auch jener Beamte, der den Aktenvermerk anlegte. "Ja, die Tippse war ich." Und darin wird beschrieben, wie heftig die Gegenwehr von Herrn K. gewesen sei. Und auch, dass es nur zwei Schläge zur Lösung der Arme gegeben hätte.
"Sie wissen, was passiert, wenn Sie einen Aktenvermerk machen, in dem Falsches steht?", vergewissert sich die Richterin. "Etwa von Tritten und Widerstand, die es nicht gegeben hat?" Tatsächlich wurde gegen Herrn K. wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt ermittelt. Das Verfahren wurde aber eingestellt.
Die Anwälte der Polizisten versuchen die Notsituation der Polizisten hervorzustreichen. "Der Mann war zu dem Zeitpunkt noch nicht durchsucht. Er hätte ein Messer oder eine Pistole in der Hand haben können", sagt Anwalt Nikolaus Rast. Und sogar der Bundeseinsatztrainer der Polizei hätte den 'Einsatz als "schulgemäß" bezeichnet.
Der Prozess musste auf unbestimmte Zeit vertagt werden, ein Zeuge hatte sich entschuldigt.
Übrigens: Erst im vergangenen Juni wurde schon ein Polizist, der bei der Klimademo eingesetzt war, im Landesgericht für Strafsachen in Wien schuldig gesprochen (nicht rechtskräftig). Er hatte einen Passanten zu Boden gebracht, sein Kopf war plötzlich unter dem Polizeibus, der anfahren wollte. Er fasste zwölf Monate bedingt aus.