Mit Maske keine Maskerade: Wie die Faschingsbranche leidet
Ein Faschingsbeginn, an dem (fast) alle Österreicher Masken tragen. Vor einem Jahr noch hätte man angenommen, dass Kostümverkäufer und Ballorganisatoren über eine solche Meldung jubeln würden.
Doch es handelt sich natürlich weder um Clownsmasken noch um venezianische Masken. Sondern um jene, die vor der Ausbreitung des Coronavirus schützen. Die Zahl der Infizierten steigt dennoch weiter.
Und so werden am Wiener Graben erstmals seit mehr als 20 Jahren am 11. November um 11.11 Uhr keine Paare in die närrische Zeit hineintanzen. Kostümhändler können sich nicht über bevorstehende Silvesterfeiern oder Gschnas freuen. Tanzschulen können ihre Eröffnungskomitees nicht auf Bälle vorbereiten. Es wird heuer eine ruhige fünfte Jahreszeit.
Ohne 150 Millionen Euro Umsatz
Allein in Wien gibt es gewöhnlich rund 450 Bälle im Jahr. Vergangenes Jahr haben sie in etwa 150 Millionen Euro Umsatz eingespielt. Heuer haben die meisten Veranstalter bereits vor Wochen offiziell ihre Absagen bekannt gegeben.
Zumindest einige Organisatoren sind zuversichtlich, dass die traditionsreichen Event im Jahr darauf aber wieder wie gewohnt über die Bühne gehen können.
Neue Termine 2022
Der 80. Philharmonikerball ist für den 20. Jänner 2022, die 23. Grazer Opernredoute für den 29. Jänner 2022 avisiert. Und der Wiener Kaffeesiederball tüftelt gerade an einer Outdoor-Variante, die im Sommer 2021 stattfinden könnte.
Noch befindet sich das Land aber im Lockdown. Und die meisten Unternehmer sehen besorgt in die anbrechende Faschingszeit. Der KURIER hat mit drei von ihnen gesprochen.
"Wir leben vom Fasching"
Ein Geburtstagsballon. Und ein Krankenschwesternkostüm für einen Filmdreh. Das waren die zwei Produkte, die Mitarbeiterin Petra im Verkleidungsladen Witte bis zum frühen Nachmittag verkauft hat.
Als „katastrophal“ bewertet Inhaberin Susanne Schmid die Lage. Mit November beginnt in dem Laden an der Linken Wienzeile normalerweise die hektische und dadurch auch umsatzreiche Zeit: Halloween, Nikolo, Silvester, Gschnas. „Wir leben von der Faschingszeit.“
Doch in einem Jahr, in dem die Menschen Corona-bedingt ihre Kontakte reduzieren müssen, in dem Feste und Bälle abgesagt werden und die Umzüge der rund 130 Faschingsgilden wohl nicht stattfinden können, hat ein Geschäft für Kostüme, Scherzartikel und Partydekoration kaum Einnahmen.
Lichtblick Halloween
„Wir sind 80 Prozent im Minus“, sagt Schmid. Ein kleines bisschen habe Halloween geholfen. „Da hatten wir nur ein Minus von 50 Prozent.“ Dekorationsartikel – abgetrennte Hände, Gehirne, Kürbisse – seien nachgefragt worden. Die Teufels- oder Hexenmasken blieben fast alle hängen. Das spiegelt sich in einer Umfrage des Handelsverbands wider. 20 Euro gaben Österreicher im Schnitt aus.
Neue Distanz
Dabei versteht Schmid die Maßnahmen: „Es geht nicht anders. Aber es trifft uns trotzdem sehr hart.“ In der 160-jährigen Geschichte des Geschäfts habe es keine derartigen Einbußen gegeben. „Selbst im Krieg haben die Leute gefeiert. Es waren schreckliche Zeiten, aber die Menschen waren zusammen und haben versucht, sich eine gute Zeit zu machen. So wie jetzt, dass man sich nicht sehen kann, war es noch nie.“
Aufgegeben hat Schmid aber noch nicht. „Wir glauben, dass die Menschen nach der Pandemie doppelt so viel feiern möchten.“ Das zentrale Regal wurde weihnachtlich dekoriert. Und hinter der Kasse hängen die venezianischen Gesichtsmasken – für die nächsten Redouten.
„Hätten jetzt Hochsaison“
Entweder es würden Anfänger ihre ersten Walzergrundschritte wagen. Oder für einen der Herbstbälle würde eine Eröffnungs-Choreographie einstudiert. Oder das Linkswalzertraining würde stattfinden. Im November herrscht gewöhnlich absoluter Hochbetrieb in der Tanzschule Elmayer. Doch derzeit steht alles still.
Die Tanzschulen gehören zu jenen Branchen, die von der Pandemie besonders betroffen sind.
Von 140 auf 0
Schon vor den jüngsten Verschärfungen war es nur drei Paaren erlaubt, mit dem Trainer im selben Kurs zu sein. „Zugelassen sind unsere Räume für 140 Personen“, sagt Thomas Schäfer-Elmayer. In der Hauptsaison würden sich täglich bis zu 600 Jugendliche in dem Haus in der Bräunerstraße einfinden. Dieses Geschäft fällt für alle knapp 100 österreichischen Tanzschulen vorerst weg.
Mit der abgesagten Ballsaison geht konkret für die Tanzschule Elmayer ein zweites Betätigungsfeld verloren: die Eröffnung von rund 50 Bällen im Jahr. Dazu gehört auch das eigene, das Elmayer Kränzchen, das am 25. Februar 2020, nur wenige Tage vor dem ersten Lockdown, zum 100. Mal stattgefunden hat – und nun zum ersten Mal aussetzen wird.
Anfragen von Neuen
Konzepte für die verschiedenen möglichen Szenarien nach dem Betretungsverbot liegen bereits vor: „Sobald wir können und dürfen, sind wir bereit.“ Anfragen von Schülern gebe es jedenfalls ausreichend.
Und vielleicht ein Hoffnungsschimmer aus der Geschichte: Die Tanzschule Elmayer wurde 1919 eröffnet, als die Spanische Grippe bereits überwunden war. Krisen wie die Weltwirtschaftskrise oder auch der Zweite Weltkrieg hätten dann die Feier- oder Tanzfreudigkeit nie trüben können.
„Gerade in Krisenzeiten suchen die Wienerinnen und Wiener Lebensfreude.“ Der Termin für das 101. Kränzchen wurde jedenfalls bereits fixiert: Es wird der 1. März 2022.
Vor dem Stammwirt des Wiener Bürgermeisters, Hausmair’s Gaststätte in der Lerchenfelderstraße, staut es sich zu Mittag. „Ich hab’ heuer schon ein Gansl gehabt, aber jetzt hab ich noch eines für zu Hause bestellt“, sagt eine Kundin zu Wirt Herbert Hausmair. Der ist fleißig am Einpacken für den Nächsten. „Rotkraut, Erdäpfelknödel und Gans für 25,90 Euro“, sagt er, während er das Essen in den Transportkarton schöpft.
Alles ausverkauft
Die Gänse bestellt der Wirt beim Gafringer Hof aus dem Mostviertel – stets noch im Vorjahr, sobald die letzte Portion verkauft sei. Er benötigt um die 100 Weidegänse, das sind 400 Portionen. In ganz Österreich werden jährlich 600.000 Portionen verspeist.
„Trotz Corona habe ich Glück und alle schon verkauft“, sagt Hausmair. Auch in „Nicht-Corona-Jahren“ gibt es bei dem Gastronomen die Speise nur auf Vorbestellung. Denn eine Gans sei keine normale Speise wie ein Schnitzel. Natürlich sei heuer alles anders, aufgrund des Lockdowns. Normalerweise wären die Tische in seinem Haus mit geselligen Gansl-Runden voll
„Einmal im Jahr das ist Tradition, die Geschichte vom Hl. Martin, der zu bescheiden war , um Bischof zu werden und sich bei den Gänsen versteckte, die ihn durch das Geschnatter verrieten, kennt man “, sagt ein Gast.
Genuss-Landkarte
Damit die Wirte oder Direktvermarkter aufgrund der verordneten Lokalschließung nicht auf ihren Gänsen sitzen bleiben, hat das Landwirtschaftsministerium auf der der Homepage genussregionen.at eine Genuss-Landkarte online gestellt. Hier können sich Österreicher entweder über Gänse-Zuchtbetriebe oder Restaurants informieren, bei denen sie sich die ganze (ungebratene) beziehungsweise die zubereitete Gans besorgen können.
Das Angebot der „Gans to go“ wird offenbar gut angenommen. Auch Gastronom Simon Steiner aus dem Dogenhof (2., Praterstraße 70) sagt: „Wir hatten vierzig Gänse auf Bestellung.
Die sind alle weg. Jetzt werden wir unser Angebot ausweiten.“