Chronik/Wien

Messerattacke auf Arzt: "Druck auf Mediziner ist enorm"

Am Mittwochvormittag ist ein Kardiologe des Kaiser-Franz-Josef-Spitals in der Herzambulanz in Wien-Favoriten mit einem Messer angegriffen worden. Beim Verdächtigen dürfte es sich um einen 33-jährigen Patienten handeln. Er soll nach KURIER-Informationen in der Ambulanz des Krankenhauses eine 25 Zentimeter lange Klinge gezückt haben, nachdem er im Wartebereich gesessen war.

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Der Vorfall spielte sich vor zahlreichen geschockten Augenzeugen in der Ambulanz ab, die zum Tatzeitpunkt stark frequentiert war. Nach dem Angriff hat der Verdächtige Platz genommen und auf das Eintreffen der Polizei gewartet. Er wurde schließlich widerstandslos festgenommen.

Laut Polizei stammt der Mann aus Sierra Leone. Er ist seit 2004 in Österreich und ein Asylberechtigter.

Notoperation

Der Arzt ist so schwer verletzt worden sein, dass er notoperiert werden musste. Er befindet sich nicht in Lebensgefahr, heißt es seitens des Spitalsträgers KAV. Laut KURIER-Informationen hatte das Opfer unglaubliches Glück: Das Messer traf ihn auf der rechten Bauchseite. Aufgrund einer anatomischen Besonderheit (situs inversus) befindet sich seine Leber aber auf der linken Seite - das lebenswichtige Organ blieb somit verschont.

"Persönliches Motiv"

Hinter der Messerattacke dürfte ein „persönliches Motiv“ gestanden sein, hieß es am Mittwochnachmittag bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz im Spital. Opfer und der Verdächtige kannten einander seit längerer Zeit. Der 33-Jährige stand dort in Behandlung. „Es dürfte sich um einen gezielten Angriff gehandelt haben“, sagte Gerhard Winkler vom Landeskriminalamt Süd. Der Verdächtige mit Asylstatus sei seit 2011 im SMZ-Süd in Behandlung gewesen.

Die Ärztliche Direktorin des Krankenhauses, Michaela Riegler-Keil, schilderte den groben Hergang der Messerattacke. Der Verdächtige sei gegen 10 Uhr unangemeldet und ohne Termin in den Ambulanzbereich der kardiologischen Abteilung gekommen, habe sich nicht am Schalter angemeldet und im Wartebereich niedergelassen. Als der Arzt vorbeigekommen sei, wäre der Mann aufgestanden und habe dem Arzt gezielt einen Bauchstich versetzt. Der Verdächtige war laut dem Kriminalisten bisher wegen Gewaltdelikten nicht auffällig. Die Einvernahmen liefen am Nachmittag noch.

Der 64-jährige Kardiologe soll kurz vor der Pensionierung gestanden sein. „Ich bin schockiert über Angriff auf unseren Kollegen“, sagt Riegler-Keil. Den Patienten und Mitarbeitern wurde Krisenintervention von Experten vor Ort angeboten.

 

Sicherheit

In den vergangenen Jahren sorgte die Sicherheit in den Wiener Spitälern immer wieder für Diskussionen.

Wie mehrfach berichtet, klagen Personalvertreter über die wachsende Zahl gewaltsamer Übergriffe durch aggressive Patienten und Angehörige auf Ärzte und Pflegepersonal. Betroffen sind davon vor allem die Notfallaufnahmen. Der KAV versucht, mit speziellen Deeskalationsschulungen und mehr Security-Personal in den Spitälern gegenzusteuern.

Ausgerechnet im KFJ, wo der der Übergriff passierte, patrouillieren seit dem Sommer 2018 regelmäßig Favoritner Grätzelpolizisten, um für mehr Sicherheit zu sorgen. Wie akut das Problem ist, zeigt eine andere Maßnahme des KAV: Er hat aktuell eine Umfrage unter den Mitarbeitern über ihre Erfahrungen mit Aggression und Gewalt am Arbeitsplatz gestartet, wie die Presse berichtet.

Es sind aber nicht immer nur Patienten, die das Spitalspersonal attackieren: Für Schlagzeilen sorgte 2014 der Fall eines Oberarzts im Krankenhaus Hietzing. Er wurde von einem Einbrecher mit einem Messer verletzt, der offenbar die Spitalsspinde aufbrechen wollte.

"Zu wenig Personal"

Unabhängig vom aktuellen Fall, der in dieser Form sehr atypisch sein dürfte, klagen Mitarbeiter des KAV über eine Zunahme von Aggressionen und Übergriffen, denen Ärzte und Pfleger ausgesetzt seien. „Eine wichtige Rolle spielt der enorme Druck, dem die Mitarbeiter im KAV ausgesetzt sind, weil es einfach zu wenig Personal gibt“, sagt Wolfgang Weismüller, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, zum KURIER. Laut seinen Berechnungen würden allein aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Verkürzung der Arbeitszeit im Vergleich zu vor vier Jahren derzeit 300 Ärzte zu wenig in den Gemeindespitälern vorhanden sein.

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Weniger Personal würde laut Weismüller längere Wartezeiten zur Folge haben, was das Aggressionspotenzial bei Patienten und ihren Begleitern erhöhen würde. „Es kann auch sein, dass die Ärzte manchmal nicht mehr ganz freundlich sind, wenn sie den ganzen Tag über auf 120 rennen.“

Heikle Situationen würden sich oft auch durch Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede ergeben, die bei der Behandlung von migrantischen Patienten eine Rolle spielen.

Für den Standesvertreter könne daher der vermehrte Einsatz von Sicherheitspersonal und Polizisten in Spitälern sowie Deeskalationstrainings für die Mitarbeiter nur das Mittel der zweiten Wahl sein. Vielmehr brauche es mehr Personal, dadurch würden viele heiklen Situationen erst gar nicht entstehen.   

Delikt schwere Körperverletzung

Außerdem sollten zur Abschreckung vor weiterer Gewaltanwendung das Strafausmaß bei ähnlichen Fällen im Strafrecht angehoben und Ärzte sowie andere Gesundheitsberufe mit Beamten hier gleichgestellt werden. Weismüller: „Aus Sicht der Standesvertretung sollte strafgesetzlich eine Gewalthandlung gegen einen Arzt jedenfalls immer eine schwere Körperverletzung sein.“

Die Generaldirektorin des KAV, Evelyn Kölldorfer-Leitgeb, verwies darauf, dass man im Bereich des KAV zahlreiche Maßnahmen zur Gewaltprävention und zur Verhinderung solcher Ereignisse setze. Man werde die Tat vom Mittwoch zum Anlass nehmen, diese Aktivitäten zu verstärken.