Gutachten: Länder können Leerstandsabgabe selbst einheben
Wie die sprichwörtliche heiße Kartoffel wird das heikle Thema der Leerstandsabgabe zwischen Bund und Ländern seit Jahren hin- und hergeworfen. Entscheidende Frage: Muss der Bund tätig werden? Oder dürfen die Länder die Eigentümer von ungenutzten Wohnungen selbst zur Kassa bitten?
Erst Anfang dieser Woche unternahm die Wiener Stadtregierung einen neuen Anlauf für die Leerstandsabgabe und richtete ein Schreiben an mehrere Ministerien. Man wolle eine Lösung, die „leistbares Wohnen sicherstelle“ – und sehe dabei den Bund in der Pflicht. Das Schreiben stammt von Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal und Finanzstadtrat Peter Hanke (beide SPÖ).
Ein Rechtsgutachten legt nun aber nahe, dass die Stadt auch von sich aus tätig werden könnte. Es stammt aus Tirol, wo man über die Leerstandsabgabe ebenso diskutiert wie in Wien und in Salzburg.
Der Rechtsanwalt und Universitätsdozent Thomas Walzel von Wiesentreu hat im Auftrag des Landes Tirol und der Stadt Innsbruck analysiert, in wessen Kompetenz die Erhebung von Leerständen sowie die Einhebung einer allfälligen Abgabe liegen. Beide Gutachten liegen dem KURIER vor.
Ergebnis: Dem Landesgesetzgeber komme „im Rahmen des ihm (...) zustehenden Abgabenerfindungsrechts auch die Zuständigkeit zur Erlassung eines Leerstand-Abgabengesetzes zu“, heißt es in den Gutachten.
Moderate Abgabe
Auch eine nötige Leerstanderhebung – derzeit ist vielerorts nicht klar, wie viel Leerstand es überhaupt gibt – sei im öffentlichen Interesse gelegen und stelle „nur einen minimal invasiven Eingriff in das Grundrecht des Datenschutzes dar“. Sie sei „unbedenklich“.
Einzige Einschränkung bei einer Leerstandsabgabe durch ein Bundesland bzw. die Stadt Wien: Diese dürfe in ihrer Höhe nur zur Deckung jener Infrastrukturkosten geeignet sein, die der Gemeinde im Zusammenhang mit dem Leerstand (etwa für Kanal, Wasseranschluss, Straßen) entstehen.
Überschreiten würden die Länder ihre Kompetenz, wenn die Abgabe eine solche „Intensität entwickelt, dass sie den Abgabepflichtigen wirtschaftlich zu einem bestimmten Verhalten geradezu zwingt“. Heißt: Die „Lenkung des Wohnungsmarkts“ via Abgabe ist Bundessache.
Kritik am Brief
Das Gutachten aus Tirol nimmt zudem Bezug auf ein wichtiges Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 1985. Der VfGH kippte damals die in Wien bestehende Leerstandsabgabe – die Stadt nutzt dies bis heute für ihre Argumentation, dass einzig der Bund die Abgabe erlassen könne.
Das sei falsch, heißt es in dem Gutachten: Der VfGH habe der Stadt nicht grundsätzlich die Kompetenz abgesprochen, die Abgabe einzuheben, sondern nur deren Höhe und Zweck gerügt.
Kritik am Brief der Wiener SPÖ kommt unterdessen nicht nur von den Grünen, sondern auch vom eigenen Koalitionspartner, den Neos: Man sei „verwundert“ über die Forderung. Die Abgabe sei im Koalitionspakt nicht vorgesehen.