Grüne Radweg-Experimente auf der Wiener Praterstraße
Die Umverteilung des Straßenraums durch die Grünen schreitet voran: Auf der Fahrbahn der Praterstraße wird morgen, Donnerstag, ein temporärer Radstreifen eröffnet. Bleiben soll er mindestens bis Anfang Herbst. „Pop-up-Radweg“ nennt Wiens Vizebürgermeisterin Birgit Hebein dieses Konzept.
Damit setzt sie den nächsten Schritt, um in der Corona-Krise den Zielen grüner Verkehrspolitik zum Durchbruch zu verhelfen. Die da lauten: Weniger Autos. Dafür mehr Radfahrer. Mehr Fußgänger. Und mehr Öffi-Nutzer.
Zuletzt öffnete Hebein rund 40 Straßen für Fußgänger – mit temporären Fußgängerstraßen und Begegnungszonen. Nun bekommen auch die Radler zusätzlichen Platz – der KURIER berichtete vorab.
Klingt unübersichtlich? Der KURIER hat den Überblick über die Maßnahmen und erklärt, was der neue Radweg für die Zukunft der Praterstraße bedeutet.
1. Wo verläuft der Radweg?
Eine der beiden Autospuren in Richtung Praterstern wird für Radfahrer reserviert. Und zwar auf einer Länge von rund 800 Metern – das ist fast die gesamte Praterstraße.
Von der Aspernbrückengasse kommend werden Radfahrer bei der Ferdinandstraße vom bestehenden Radweg auf die Fahrbahn geleitet, sagt die Leopoldstädter Bezirkschefin Ursula Lichtenegger (Grüne) auf Nachfrage.
Die Rad-Spur werde mit Leitbaken (das sind längliche, rot-weiß-rote Aufsteller) vom Verkehr getrennt. Die Haltespur am Übergang von Aspernbrückengasse und Praterstraße soll aufgelassen werden.
2. Warum wurde die Praterstraße ausgewählt?
Wohl deshalb, weil die Grünen dort bereits seit Jahren dauerhaft mehr Platz für Radfahrer fordern. Die Umsetzung scheiterte bisher am Widerstand der anderen Parteien.
Lichtenegger möchte zugunsten der Radler stadtauswärts eine Fahrspur auflassen. Ein Verkehrsplanungsbüro stufte diesen Plan zuletzt als „verkehrstechnisch umsetzbar“ ein.
Der temporäre Radweg ist also eine Art Generalprobe für die Vision der Bezirksvorsteherin: „Ich sehe es als Test“, sagt sie. „Ein Ergebnis wird sein, dass die Fahrstreifenreduktion machbar ist.“
Sollte sich die neue Aufteilung bewähren, wird sie wohl auch in den aktuell stattfindenden Planungsprozess zur Neugestaltung der Praterstraße einfließen.
3. Was soll das bringen?
Hebein argumentiert, Radfahrern während der Corona-Pandemie das Abstandhalten möglich machen zu wollen. Denn die Angst vor einer Ansteckung lässt derzeit so manchen Stadtbewohner sein Mobilitätsverhalten ändern.
Sich in die Öffis zu drängen, ist aktuell wenig attraktiv. Bleibt noch das Auto. Oder das Fahrrad.
Satteln nun viele Menschen um, wird es wiederum auf den Radwegen eng. Nach Inkrafttreten der Ausgangsbeschränkungen im März ist der Radverkehr in ganz Wien zwar gesunken – am Praterstern zum Beispiel um rund ein Fünftel.
Aber: Verglichen mit dem Vorjahr verzeichnete die dortige automatische Zählstelle zuletzt ein sattes Plus. Laut Daten der Stadt Wien kamen in der vierten Aprilwoche 66 Prozent mehr Radfahrer vorbei als 2019.
Der bestehende Radweg sei für dieses Aufkommen zu schmal, sagt Hebein.
4. Sind weitere Pop-up-Radwege geplant?
Ja, mindestens einer. Wo, das wird Hebein morgen, Donnerstag, bekannt geben. Der grüne Verkehrssprecher Rüdiger Maresch hat zuletzt im KURIER die Wagramer Straße ins Spiel gebracht.
Die Bürgerinitiative Platz für Wien forderte am Mittwoch noch mehr: 130 Kilometer Corona-Radwege seien nötig.
5. Wie reagieren die anderen Parteien?
Bei der ÖVP und bei der FPÖ stößt Hebeins Plan für die Praterstraße auf heftige Ablehnung. Das seien „ideologische Planspiele“ und „Autofahrerschikanen“.
Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) war vorab über den Pop-up-Radweg informiert, heißt es aus seinem Büro. Ob er die Maßnahme begrüßt, war nicht zu erfahren.