Frau 2005 verschwunden: Mordverdächtiger Witwer nicht geständig
Ein 65-Jähriger muss sich seit Montag am Wiener Landesgericht verantworten, weil er vor mehr als 16 Jahren seine von ihm getrennt lebende Ehefrau umgebracht haben soll. Den Geschworenen steht ein mehrtägiger Indizienprozess bevor. Weder gibt es eine Leiche noch ist bekannt, wie die Frau zu Tode gekommen sein soll. Die Staatsanwältin sprach ungeachtet dessen zu Beginn des Verfahrens von einer „geschlossenen Indizienkette“. Der Angeklagte bekannte sich „nicht schuldig“.
Angeklagter: „Niemand weiß, ob sie tot ist.“
Er wisse nicht, wo seine Frau sei und was mir ihr passiert sei, meinte der 65-Jährige: „Ich kann nichts Konkretes dazu sagen. Ich habe mir sehr viele Gedanken gemacht.“ „Lebt sie noch?“, fragte die vorsitzende Richterin. - „So lange ich nicht weiß, ob sie tot ist, weiß ich das nicht. Ich weiß zu hundert Prozent, dass niemand weiß, ob sie tot ist.“
Es gebe „nicht den geringsten Zweifel, dass er seine Ehefrau auf unbekannte Art getötet hat und an einem unbekannten Ort abgelegt hat“, meinte Staatsanwältin Julia Kalmar in ihrem mehr als einstündigen Eröffnungsplädoyer. Verteidiger Thomas Reissmann sprach dagegen von einer „äußerst ungewöhnlichen Anklage, weil sie manipulativ ist“. Die Anklage beruhe auf „schlechten, falschen Ermittlungen“ und habe „ganz wesentliche Mängel“.
Von der Architektin fehlt laut Anklage seit 6. Dezember 2005 jede Spur. Sie hatte drei Monate vor ihrem Verschwinden nach Beziehungsproblemen die Scheidung eingereicht, war aus der ehelichen Wohnung ausgezogen und hatte sich eine andere Unterkunft gesucht. Wenige Stunden, bevor die damals 31-Jährige von der Bildfläche verschwand, hatte sie den Angeklagten aufgesucht, um Sachen abzuholen. Dabei dürfte es - folgt man der Anklagebehörde - zu einem Streit gekommen sein. Die Staatsanwältin zeigte sich jedenfalls überzeugt, dass ihr Mann sie zwischen 16.02 Uhr - zu diesem Zeitpunkt hatte die Frau ein Telefonat mit ihrem Vater beendet - und 17.43 Uhr - um diese Zeit tätigte der Angeklagte eine Bankomat-Behebung - getötet haben muss.
Fest steht, dass die Architektin seit diesem Treffen nicht mehr lebend gesehen wurde. Sie soll nach der Geburt ihres Kindes zwar an einer Stillpsychose gelitten und Suizidgedanken gehabt haben, ihre Familie und Freundinnen schlossen allerdings aus, sie könnte sich etwas angetan haben. Sie hätte nie ihre damals zweieinhalbjährige Tochter zurückgelassen und habe über Weihnachten einen Langlauf-Urlaub geplant gehabt, hieß es.
SMS-Verkehr fingiert?
Die Staatsanwältin meinte eingangs des Verfahrens, der Angeklagte habe mit dem Handy der zu diesem Zeitpunkt bereits getöteten Frau vorgetäuscht, dass diese noch am Leben sei. Er habe dieses in Betrieb gesetzt und damit in den Stunden danach einen SMS-Verkehr mit seinem eigenen Gerät fingiert. Allerdings sei das Handy der Frau in diesem Zeitpunkt im Sendebereich der Wohnung des Mannes eingeloggt gewesen, betonte die Staatsanwältin.
Die Anklägerin verwies außerdem darauf, dass der inzwischen 65-Jährige am 7. Dezember 2005 - am Tag nach dem angeblichen Mord - in einem Baumarkt 50 Laufmeter Baufolie, 60 Kilogramm Trockenbeton und Bitumenanstrich gekauft hatte. In Bezug auf den Beton meinte der Angeklagte in seiner Beschuldigteneinvernahme - diese wurde zwischenzeitlich unterbrochen, um der DNA-Sachverständigen Christina Stein die Gutachtenerstattung zu ermöglichen -, er habe den „irgendwann verwenden“ wollen, um den Übergang zur Terrasse zu betonieren: „Da ist irgendwie das Wasser runtergeflossen.“ Mit der Folie habe er sein Ruderboot „einpacken“ wollen.
Bus ausgeborgt um „etwas wegzubringen“
Am 9. Dezember 2005 hatte sich der Angeklagte von einem Bekannten einen Bus ausgeborgt, indem er diesem erklärte, er müsse „etwas wegbringen“. Darauf angesprochen, erklärte der Angeklagte den Geschworenen, er habe alte, abmontierte Heizkörper weggeschafft. Den Bus habe er zwei Stunden später wieder zurückgestellt.
In der Woche nach dem Verschwinden der Frau war eine groß angelegte Suchaktion durchgeführt worden. Mit Spürhunden wurde das Ufer der Alten Donau durchkämmt. Der Mann der Vermissten geriet in weiterer Folge in Verdacht, er könnte mit dem Verschwinden der Frau etwas zu tun gehabt haben. Er kam auch kurz wegen Mordverdachts in U-Haft, die Verdachtslage erhärtete sich jedoch nicht, der Mann wurde nach wenigen Tagen wieder auf freien Fuß gesetzt. 15 Monate später kam dann wieder Bewegung in die Sache, mit Sonden und Leichenspürhunden wurde ein Privatgrundstück abgesucht - Elisabeth G. blieb aber wie vom Erdboden verschluckt. Im Juni 2007 wurden dann die Ermittlungen endgültig eingestellt, die Personenfahndung nach der Architektin aus dem Polizei-System genommen.
Der Fall schien bereits als ungelöstes Kriminalrätsel zu den Akten zu wandern, ehe die Cold Case-Gruppe des Bundeskriminalamts wieder zu ermitteln begann und neues Beweismaterial zu Tage förderte. Das führte dazu, dass der Ex-Mann 15 Jahre nach dem Verschwinden von Elisabeth G. wieder festgenommen wurde. Seit rund eineinhalb Jahren sitze er nun als Mordverdächtiger „zu Unrecht“ in U-Haft, hielt Verteidiger Reissmann fest.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft wird der Angeklagte vor allem von einem DNA-Gutachten belastet. Leichenspürhunde hatten in der Wohnung des Mannes angeschlagen, mittels Luminol konnte am Holzboden in der Wohnküche des Angeklagten eine Blutspur mit einem Durchmesser von 12,5 Zentimetern sichtbar gemacht werden. Der DNA-Expertin Stein zufolge handelte es sich dabei um eine Mischspur, die Merkmale von Elisabeth G. und des Angeklagten aufwiesen. Außerdem führt die Strafverfolgungsbehörde ins Treffen, der Angeklagte habe im Lauf der Jahre - vor allem im behördlichen Todeserklärungsverfahren - auffallend widersprüchliche Angaben zur letzten Begegnung mit seiner Ex-Frau gemacht. Dass sie etwa - wie von ihm behauptet - am Abend des 6. Dezember noch in einem Ruderclub an der Alten Donau trainieren ging, könne nicht stimmen, weil sich keine Eintragung im Logbuch des Rudervereins fand und auch Kolleginnen und Kollegen im Verein dies nicht bestätigt hätten.
„Wir wissen nicht, ob sie tot ist oder noch lebt“, hielt der Verteidiger fest, „wir wissen nicht, ob sie an einem Gewaltverbrechen gestorben ist.“ Dass Elisabeth G. sich selbst das Leben genommen habe, sei „eine Möglichkeit, die gegeben ist“. Zum Blutfleck bemerkte Riessmann: „Das kann gerade mal ein Spritzer gewesen sein, woher auch immer.“ Es gebe schlicht „kein Motiv“, weshalb sein Mandant seine Frau getötet haben sollte, denn er selbst habe eine einvernehmliche Scheidung angestrebt. Erst daraufhin habe ihm die Frau „die Scheidungsklage vor den Latz geknallt“.
Anwältin sieht Gründe für eine Bluttat
Die Staatsanwältin sah dagegen sehr wohl Gründe, die den nunmehr 65-Jährigen zu der Bluttat bewogen haben könnten. Sie erwähnte in diesem Zusammenhang eine seelische Kränkung durch die Trennung und in Verbindung damit „große Angst, den Kontakt zu seiner Tochter zu verlieren“, mit der Elisabeth G. eine neue Wohnung bezogen hatte.
Der Angeklagte schilderte am Nachmittag den Geschworenen, Elisabeth sei am Nachmittag des 6. Dezember 2005 gemeinsam mit beider zweieinhalbjähriger Tochter zu ihm gekommen, um in der Wohnung verbliebene Sachen abzuholen. Danach sei sie zum Ruder-Training gegangen, habe die Tochter bei ihm gelassen, sei dann um 19.30 Uhr wieder gekommen und habe sich geärgert, weil eine unbekannte Person, die ihr versprochen hätte, ihre Sachen wegzubringen, sie hängen habe lassen. Am nächsten Tag - laut Anklage war die Frau zu diesem Zeitpunkt bereits tot - sei sie gegen 8 Uhr erschienen: „Sie ist mir übernächtigt vorgekommen, optisch.“ Er habe ihr mehr oder weniger wortlos über den Zaun den Karton mit den Sachen - zwei Hocker, eine Saugglocke und andere Utensilien - gereicht, sie sei auf der Beifahrerseite eines dunklen Kombi eingestiegen. Seither habe er sie nicht mehr gesehen.
„Weiß nicht, wo deine Mama ist“
Sein Schwiegervater habe ihn „vom ersten Tag an, wo die Elisabeth abgängig war, verdächtigt, dass ich sie ermordet habe“, gab der 65-Jährige zu Protokoll. Auf die Frage, wie seine Tochter auf das plötzliche Verschwinden der Mutter reagiert hätte, erwiderte der Mann: „Überraschenderweise hat sie ganz, ganz selten gefragt. Erstmals im Kindergarten. Ich hab' ihr gesagt, ich weiß ehrlich gesagt nicht, wo deine Mama ist. Vielleicht hat sie jemanden anderen gefunden.“
Sein Plan sei es gewesen, seine Tochter, die er großgezogen habe, bei ihrer Volljährigkeit umfassend über das Verschwinden ihrer Mutter zu informieren. Die Tochter ist mittlerweile 18 Jahre alt. Der Angeklagte befindet sich seit rund eineinhalb Jahren in U-Haft. „Sie hat ganz offensichtlich keine Probleme gehabt, dass sie keine Mutter hat“, bemerkte der Angeklagte zu diesem Thema abschließend.
Blut auf dem Fußboden
Die von der Anklagevertreterin vorgelegten Indizien versuchte er zu entkräften. Im näheren Umfeld seiner Adresse gebe es drei Handy-Sendemasten, die einen „breiten Bereich“ abdecken würden. Er könne nicht beurteilen, wo sich seine Frau aufgehalten habe, als sie per SMS mit ihm kommunizierte. Zum Blutfleck in seiner Wohnküche bemerkte der 65-Jährige, Elisabeth habe „irgendwann im Vorfeld mit ihrer Enduro-Maschine das Gleichgewicht verloren“ und sei „im Stand umgefallen“. Dabei habe sie sich an der Hand verletzt: „Sie hat geblutet, ich habe sie verarztet.“ Dabei müsse Blut auf den Fußboden getropft sein.
Urteil soll am 19. Mai fallen
Die Verhandlung wird am kommenden Mittwoch mit ersten Zeugenaussagen fortgesetzt. Insgesamt sind 39 Zeuginnen und Zeugen geladen. Drei weitere Verhandlungstage sind anberaumt. Das Urteil soll am 19. Mai fallen.