Chronik/Wien

67 Prozent sind für den Erhalt der Wiener Nordbahnhalle

Bis auf den Polizeibus, der neben dem Bauzaun parkt, sieht das Nordbahnviertel am Montag aus wie gewöhnlich. Lastwagen fahren über das Gelände zwischen Bruno-Marek-Alle und Nordbahnstraße in der Leopoldstadt.

Vorne, neben Nordbahnhalle und Wasserturm, schaufeln zwei Bagger Schotter aus einer Grube. Plötzlich tönt ein Hupen durch den Lärm. „Das ist ein Tatort“, ruft eine Polizistin aus dem Bus heraus. „Sie können da nicht hineingehen.“

Am Tag nach dem Brand der Nordbahnhalle hat sich der Verdacht verdichtet, dass das Feuer in der einstigen Kulturstätte gelegt worden ist.

„Das hat sich ausgezahlt. Die Halle kannst jetzt abschreiben“, sagt ein Mann in schwarzer Jacke, der dicht an der Absperrung steht.

Von hier aus lässt sich erahnen, was die Flammen angerichtet haben. Die Wände im Inneren sind schwarz vom Ruß, verkohlte Balken liegen in den Räumen.

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Damit ist vermutlich das wirklich letzte Kapitel der Nordbahnhalle angebrochen. Bereits im August war die Kulturstätte vor dem Aus gestanden.

Nach Protesten gab die Stadt bekannt, dass das Gebäude ein weiteres Jahr für Veranstaltungen zwischengenutzt werden kann. Damit schien die beliebte Halle gerettet – zumindest vorerst.

„Es gab genug Leute hier, die eine Freude mit der Halle hatten“, sagt ein weiterer Schaulustiger. „Hier wurde oft gefeiert.“

Große Mehrheit für Erhalt

Wie gut die Halle und ihr Programm ankamen, zeigt auch die KURIER-Bezirksumfrage: In der Leopoldstadt wäre knapp 67 Prozent der Befragen eine dauerhafte kulturelle Nutzung der Nordbahnhalle „sehr wichtig“. In der angrenzenden Brigittenau sind es 60 Prozent.

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Bei keinem der in den zwei Bezirken abgefragten Themen ist die Einigkeit so groß wie hier. (Die KURIER-Umfrage läuft noch bis Ende November.)

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Dass die Halle bleibt, wird nun aber immer unwahrscheinlicher – sehr zum Missfallen der Bürgerinitiative „IG Nordbahnhalle“.

„Wir sind schockiert und bestürzt über diese Brandkatastrophe, die nun Fakten schafft und eine für die Stadtplanung unliebsame Debatte mit hoher Wahrscheinlichkeit beendet“, schrieb sie auf Facebook.

Langer Kampf um die Halle

Zur Erinnerung: Im Jahr 2017 haben Studenten der TU Wien die frühere Lagerhalle in ein Kulturzentrum umfunktioniert. Schon damals war klar: Bestehen kann es nur, bis die Wiener Linien den Platz für die Umkehrschleife der verlängerten Straßenbahnlinie O benötigen.

Als es im August soweit war, war der Aufschrei – allen voran von der IG Nordbahnhalle – dennoch groß. „Wir wollten immer eine langfristige Nutzung“, sagt Mitgründer Christoph Kleinsasser zum KURIER. „Wegen der Schäden wird das wahrscheinlich nicht mehr möglich sein.“

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Skeptisch zeigte sich dagegen die „IG Lebenswerter Nordbahnhof“: Sie beharrte darauf, dass das das Areal der Nordbahnhalle, wie ursprünglich geplant, Grünraum wird. So argumentierte auch die grüne Planungsstadträtin Birgit Hebein.

Die Lösung: Abgerissen wurde nur der vordere Teil. Der für den hinteren wurde eine weitere, temporäre Zwischennutzung vereinbart.

Nun sei zu überlegen, welche Möglichkeiten es für eine kulturelle Nutzung des Wasserturms gebe, heißt es aus ihrem Büro. Er ist nämlich denkmalgeschützt und bleibt jedenfalls bestehen.

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Aber: Er ist rund 800 Quadratmeter kleiner als die Nordbahnhalle.„ Das ist keine adäquate Alternative“, sagt Kleinsasser von der IG Nordbahnhalle.

Nordwestbahnhof als Ausweichquartier?

Uschi Lichtenegger, grüne Vorsteherin im 2. Bezirk, bringt weitere Standorte ins Spiel: Einerseits die Erdgeschoß-Flächen in den neuen Wohnbauten am Nordbahnhof. Und andererseits das nahe gelegene Stadtentwicklungsgebiet Nordwestbahnhof.

„Zur Taborstraße hin gibt es dort alte Hallen, die bestehen bleiben. Ich hoffe, dass die Stadt diese Möglichkeit aufgreift“, sagt Lichtenegger. „Es geht nicht um den Erhalt eines alten Gebäudes, sondern um die Idee dahinter.“

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Das Kulturressort beteuert, alles getan zu haben, um eine Zwischennutzung sicherzustellen. „Wie die konkreten Möglichkeiten derzeit aussehen, kann seit dem tragischen Brand nicht gesagt werden“, sagt Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ).

Für Fotograf Friedrich Techler wäre der Totalabriss der Nordbahnhalle jedenfalls nicht das Schlimmste, was dem Areal passieren könnte. Techler dokumentiert die Geschichte des Nordbahnhofs seit den 1980ern – so auch die ausgebrannte Halle.

„Es würden hier schon interessantere Sachen weggeräumt“, sagt er. Die historischen Bahnwärterhäuschen zum Beispiel.“

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