Milliardär Branson hob in Richtung All ab: "Das Ereignis meines Lebens"
Von Dirk Hautkapp
Er kam mit dem Fahrrad zum Abflug. Eine Woche vor seinem 71. Geburtstag hat sich Richard Branson vorzeitig selbst beschenkt. Seit Sonntag ist er der erste Milliardär, der mit der eigenen Firma ins Weltall aufbrach und heil zurückkehrte. Gut 65 Minuten nach dem Start im US-Bundesstaat New Mexiko landete der britische Multi-Unternehmer gemeinsam mit fünf Crew-Mitgliedern mit dem Raumflieger „VSS Unity“ seines Raumtouristik-Unternehmens „Virgin Galactic“ aus rund 86 Kilometer Höhe wieder sicher auf der Erde.
„Das war das Erlebnis meines Lebens“, sagte ein lächelnder Branson via Live-Schaltung. Mit dem Jungfern-Flug kommt er Jeff Bezos zuvor. Der Amazon-Gründer will in neun Tagen mit der „New Shepard“-Raumkapsel seiner Firma „Blue Origin“ auch ganz nach oben.
Schwerelosigkeit
Rund 45 Minuten nach dem Start, dem am Boden Tesla-Gründer und Ebenfalls-Raumfahrtunternehmer Elon Musk beiwohnte, klinkte sich die „Unity 22“ vom weißen Träger-Flugzeug „VMS Eve“ in rund 14.000 Meter aus, aktivierte den Raketenantrieb und schoss mit fast vierfacher Schallgeschwindigkeit in die Höhe. Nach knapp vier Minuten Schwerelosigkeit und Besichtigung der Erdkrümmung leiteten die Piloten Dave Mackay and Michael Masucci den Rückflug zum futuristischen „Spaceport“ in der Nähe des verschlafenen Ortes mit dem ungewöhnlichen Namen „Truth or Consequences“ (Wahrheit oder Konsequenzen) ein.
Der vom Elite-Komödianten Stephen Colbert und Weltraum-Experten flankierte Live-Stream geriet über lange Strecken zu einem aus Werbe-Videos für Branson destillierten Etikettenschwindel. Erste Live-Bilder aus dem Mini-Raumschiff kamen erst nach 45 Minuten. O-Töne? Fehlanzeige. Ein versprochenes Live-Wort von Branson bei Erreichen der Höchstmarke von 86 Kilometern kam nicht zustande.
Extravaganz
Bilder, die Schwerelosigkeit zeigten, waren verwackelt. Es war nicht die erste Extravaganz, die sich Branson leistete, der in den 1970er-Jahren mit der Platten-Firma „Virgin“ und der Punk-Band „Sex Pistols“ unternehmerisch startete. 1991 wollte er den Pazifischen Ozean mit einem Heißluftballon überqueren, landete aber auf einem zugefrorenen See in Kanada statt wie geplant in Südkalifornien. 1987 musste er eine Ballonfahrt über den Atlantik vorzeitig mit einem Sprung ins Wasser beenden. Bei einer Speed-Boot-Überfahrt durch den Ärmelkanal holte er sich blaue Flecken.
Branson, der Filou, wies vor dem Abflug die Rivalität zu Amazon-Gründer Bezos weit von sich. Dass es zwischen den Milliardären atmosphärisch knirscht, ist jedoch offenkundig. „Blue Origin“-Boss Bob Smith beeilte sich anzumerken, dass Bransons Maschine nicht über die Karman-Linie fliege, sondern deutlich darunter bleibe. Besagtes Konstrukt liegt 100 Kilometer über dem Meeresspiegel und gilt nach den All-Mächtigen der Fédération Aéronautique Internationale (FAI) als Demarkation zwischen Erdatmosphäre und Weltall. Amerikas NASA und die US-Luftwaffe sind allerdings schon mit 80 Kilometer Flughöhe zufrieden, um von Astronauten zu sprechen. Nur das zählt für Branson.
DiCaprio zeigte Interesse
Tatsache ist, dass der Brite nun (medialen) Vorsprung hat, um seinen Premieren-Flug in bare Münze umzuwandeln. Gut 700 Interessenten für zivile Weltraumflüge sollen auf seinen Reservierungslisten stehen, darunter Stars wie Leonardo DiCaprio. Ticketpreise: um die 250.000 Dollar (sie könnten sich verdoppeln, meinen Experten). 2022 soll die Kommerzialisierung des 90-minütigen Vergnügens dann beginnen.