Erdbeben: Kind und Frau nach sechs Tagen aus Trümmern gerettet
Sechs Tage nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien haben Einsatzkräfte aus El Salvador zusammen mit einheimischen Helfern im Süden der Türkei einen kleinen Buben und eine junge Frau lebend aus den Trümmern geborgen. Der etwa fünfjährige Bub und die etwa 30 Jahre alte Frau seien mehr als 150 Stunden unter einem eingestürzten Gebäude eingeschlossen gewesen, teilte der salvadorianische Präsident Nayib Bukele am Sonntag im Onlinedienst Twitter mit. El Salvador hatte nach dem Erdbeben ein 100-köpfiges Hilfsteam sowie mehrere Rettungshunde in die Türkei entsandt.
Er veröffentlichte zudem ein Video der Bergungsaktion in Sehit Aileleri in der Provinz Kahramanmaras. Der Bub und die Frau wurden nach ihrer Rettung in ein Krankenhaus eingeliefert.
Eine knappe Woche nach den Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet sind laut offiziellen Zählungen mehr als 35.000 Menschen gestorben. Während alleine in der Türkei 29.605 Tote registriert wurden, meldete die UNO 5.900 Tote aus Syrien. Wie der WHO-Nothilfekoordinator Richard Brennan am Sonntag sagte, kam die Mehrzahl davon (4.500) in den Rebellengebieten ums Leben. Laut Schätzungen der UNO könnte die Opferzahl auf über 50.000 steigen.
Bürgerkrieg erschwert Hilfe
UNO-Nothilfekoordinator Martin Griffiths sagte am Samstag bei einem Besuch im Erdbebengebiet in der Türkei im Sender Sky News, eine genaue Schätzung der Verstorbenen sei nach wie vor schwierig. Die Opferzahl werde sich aber sicherlich noch "verdoppeln oder mehr". Griffiths übte zugleich scharfe Kritik am internationalen "Versagen" bei der Hilfe für die Erdbebenopfer im Bürgerkriegsland Syrien. "Wir haben die Menschen im Nordwesten Syriens bisher im Stich gelassen", schrieb er am Sonntag auf Twitter. Ein UNO-Konvoi mit zehn Lastwagen hatte Syrien am Donnerstag aus der Türkei erreicht, doch ist laut Griffiths viel mehr Hilfe nötig. 5,3 Millionen Menschen könnten in Syrien durch das Beben obdachlos geworden sein.
Erschwert wird die Hilfe durch die Sicherheitslage im Bürgerkriegsland. Eine geplante Lieferung von Hilfsgütern aus Regierungsgebieten in die Provinz Idlib sei gestoppt worden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen am Sonntag. Die vom Syrischen Roten Halbmond zur Verfügung gestellten Güter sollten demnach über den Ort Sarakib nach Idlib geliefert werden. Aktivisten zufolge blockierte die Miliz HTS, die das Gebiet dominiert, diese Lieferung dann aber.
Die schwierige Sicherheitslage an Ort und Stelle verlangsamte die Rettungsaktion verschiedener Hilfsgruppen. Die österreichischen Soldaten und Soldatinnen - wie auch deutsche und ungarische Helfer - mussten ihren Einsatz zeitweise unterbrechen, weil die Arbeit zu gefährlich geworden war. Zunehmende Aggressionen zwischen Gruppierungen in der Türkei - Schusswechsel inklusive - hätte diese Entscheidung notwendig gemacht.
Zwischenzeitlich konnten die Österreicher ihre Arbeiten wieder aufnehmen. "Die türkischen Sicherheitskräfte schaffen uns ein sicheres Umfeld", sagte Oberstleutnant Pierre Kugelweis Sonntagvormittag der APA. Am Samstag seien die Helfer ab dem Nachmittag noch bei zwei Einsätzen zum Teil bis in die Nacht aktiv gewesen, um örtliche Hilfsgruppen zu unterstützen.
Seit dem Beben am Montag vor einer Woche mit der Stärke 7,7 gab es bis Samstag mehr als 2.000 Nachbeben in der Region, wie die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad mitteilte. Viele Menschen verloren ihr Zuhause: Nach Angaben des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan suchten inzwischen mehr als 1,5 Millionen in Zelten, Hotels oder öffentlichen Notunterkünften Schutz.
Wunder zwischen den Trümmern
Trotzdem gab es zuletzt bei den Bergungen immer wieder Hoffnungsschimmer. Fast eine Woche nach dem Erdbeben gab es doch noch Lebendrettungen. So wurde in Antakya ein fünf Monate altes Baby nach 134 Stunden lebend aus den Trümmern geholt, berichtete der staatliche türkische Fernsehsender TRT. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie ein Helfer kopfüber in ein metertiefes Loch hinabgelassen wurde, um zu dem Säugling zu gelangen. Das sichtlich entkräftete Kind wurde nach seiner Befreiung an Rettungssanitäter übergeben. In der Stadt Kahramanmaras wurde ein neun Jahre alter Bub nach rund 120 Stunden gefunden, in Hatay eine 63-Jährige sogar nach 157 Stunden.
In den betroffenen Gebieten wächst nun auch die Gefahr von Krankheiten. Laut dem Emergency WASH (Water Sanitation Hygiene) Experten des Österreichischen Roten Kreuzes, Georg Ecker, ist das Wasserversorgungs- und Entsorgungssystem im Erdbebengebiet schwer beeinträchtig. Daher sind die Menschen von Oberflächenwasser - wie etwa Flüsse oder Seen - abhängig, die wiederum durch Fäkalien verunreinigt sind, weil die Menschen aufgrund der zerstörten Gebäude keine Sanitäreinrichtungen haben. Zudem könnten Grundwassersysteme aufgrund der Erdstöße verschoben oder unterbrochen sein, so Ecker.
Es bestehe daher auch die Gefahr der Kontamination von Grundwasser. Wenn Menschen keine andere Alternative haben als verunreinigtes Wasser zu trinken, könne dies zu rasch zu Krankheiten wie Durchfall führen. In Syrien gebe es seit längerer Zeit immer wieder Cholera Ausbrüche und dadurch könne es sein, dass sich die Situation aufgrund der schlechten Wasser- und Hygieneverhältnisse verschlechtert bzw. bestehe aufgrund des Grenzgebietes ein Risiko, dass Cholera auch in die Türkei übersetzt.