Lebenslange Haft für 29-Jährigen in Graz: Mord und fahrlässige Tötung
Am Freitag wurde ein Prozess wegen Doppelmordes in Graz fortgesetzt. Ein 29-Jähriger stand vor Gericht: Er soll im Vorjahr seine Freundin in Graz erstochen und danach in der Absicht, sich selbst zu töten, mit einem Auto in den Gegenverkehr gerast sein. Die Geschworenen entschieden nach mehrstündiger Beratung auf Mord und fahrlässige Tötung. Das Gericht verfügte daraufhin eine Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum.
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Der Oberösterreicher selbst überlebte damals nach dem Crash, doch der Mann im entgegenkommenden Pkw hatte keine Chance: Der Grazer war sofort tot. "Er hat zwei Leben an dem Tag genommen", merkte die Staatsanwältin beim Prozessauftakt vor zwei Wochen an.
Der Angeklagte blieb auch beim zweiten Verhandlungstag bei seiner Verteidigungslinie: Er habe aus einem Affekt heraus gehandelt, als er seine 39-jährige Lebensgefährtin, die sich von ihm trennen wollte, getötet habe. Sein Anwalt plädiert daher auf Totschlag, nicht Mord.
Was der Sachverständige herausfand
Der Tod des Pkw-Lenkers sei "ein tragischer Unfall" gewesen: Er habe nur den Wagen verrissen, weil er sich an den Arm gegriffen habe.
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Der Kfz-Sachverständige sah das anders: Aufgrund der Spurenlage auf der Fahrbahn gehe er von "einem abrupten Spurenwechsel" aus: "Eine unbewusste Auslenkbewegung ist fahrtechnisch auszuschließen."
Immer wieder kommt in dem Verfahren die als speziell beschriebene Beziehung zwischen Opfer und Angeklagtem zur Sprache: Der 29-Jährige lernte die Steirerin erst zu Jahresbeginn in einem Laufhaus kennen, wo sie als Domina arbeitete. Diese "besondere Beziehung" sei Teil des Verfahrens, betonte die Anklägerin gleich zu Prozessbeginn, der Verteidiger hielt fest, dass die 39-Jährige die "Dominanz" auch in der Beziehung ausübte.
"Heiratsantrag nie angenommen"
Der Angeklagte beteuert, er habe die Freundin heiraten wollen. Doch ein Zeuge, der am Freitag befragt wird, hält das nicht für realistisch:. Einen Heiratsantrag des 29-Jährigen hätte sie "nie angenommen. Er war nicht der Typ Mann, auf den sie sonst gestanden ist."
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Laut Gerichtsmedizin hat der Angeklagte Dutzende Male auf sein Opfer eingestochen. Zur der angeklagten Bluttat war es gekommen, als die Frau im Zuge eines Streites den Mann aufforderte, die Wohnung zu verlassen. Da nahm der Oberösterreicher offenbar ein Messer und stach immer wieder auf sein Opfer ein. Anschließend setzte er sich ins Auto und raste laut Anklage in suizidaler Absicht in ein entgegenkommendes Fahrzeug.
Er gilt trotz seiner diagnostizierten Panikattacken und Depressionen als zurechnungsfähig, dennoch beantragt die Staatsanwältin zusätzlich eine Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum.
Gutachterin: "Sehr ängstlicher Mensch"
Die klinische Psychologin Anita Raiger beschrieb ausführlich Kindheit und Jugend des Angeklagten, den sie als "sehr ängstlichen Menschen" und „emotional instabil“ einstufte. Seine Freundin habe er zwar als Domina kennen gelernt und für den Kontakt zunächst bezahlt, sie sei aber der einzige Mensch gewesen, der ihm bei seinen Panikattacken helfen konnte und von dem er sich beachtet fühlte. Als sie ihm gegenüber mit Gleichgültigkeit reagierte, „da ist es gekippt“. Ein Risiko für andere sei er nicht unbedingt, für eine künftige Intimpartnerin aber sehr wohl, sofern er nicht behandelt werde.
Der psychiatrische Gutachter Manfred Walzl bescheinigte dem Angeklagten eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit Borderline-Anteilen und attestierte ihm für seine Tathandlungen „eine verminderte, im Prinzip jedoch erhaltene Zurechnungsfähigkeit“.
Die Geschworenen berieten mehr als drei Stunden. Im Fall der getöteten Frau entschieden die Laienrichter, dass es sich um Mord gehandelt habe. Doch im zweiten Fall glaubten die Mehrheit dem Angeklagten, dass der Zusammenstoß nicht beabsichtigt war. Der 29-Jährige hatte erklärt, er habe zwar nach der Tötung seiner Freundin Suizid begehen wollen, aber nicht auf diese Weise. Der verheerende Crash sei wegen einer Verletzung am Arm, der er zu viel Aufmerksamkeit geschenkt habe, passiert. Das Urteil lautete auf lebenslange Haft und Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum und ist nicht rechtskräftig.
Sie sind in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchen Hilfe? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums. Unter www.suizid-praevention.gv.at finden sich Kontaktdaten von Hilfseinrichtungen in Österreich. Der Telefonseelsorge-Notruf rund um die Uhr und kostenfrei unter 142 zu erreichen. Infos für Jugendliche gibt es unter www.bittelebe.at