U-Kommission Wien Energie: Situation laut Strebl "nicht vorhersehbar"
In Wien ist heute, Montag, im Wiener Rathaus die Untersuchungskommission zur Wien Energie fortgesetzt worden. Der Geschäftsführer der Wien Energie, Michael Strebl, und der stellvertretende Direktor der Stadtwerke, Peter Weinelt, wurde über mehrere Stunden hinweg ausführlich befragt. Strebl beteuerte dabei, dass der dramatische Preisanstieg, der zum Finanzbedarf der Wien Energie führte "nicht vorhersehbar" war.
Das Geschehen rund um die Megakredite für den Versorger wurde heute in der Kommission erstmals direkt beleuchtet. Bisher waren nur sachkundige Branchenexperten am Wort. Seit Dezember beschäftigt sich im Rathaus eine gemeinderätliche U-Kommission mit den Vorfällen vom vergangenen Sommer. Die Wien Energie musste für den Börsenhandel mit Strom und Gas infolge der Preissprünge hohe Sicherheitsleistungen hinterlegen und konnte diese nicht mehr aus eigener Kraft aufbringen.
Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hatte deshalb ab Juli per Notkompetenz insgesamt 1,4 Mrd. Euro bereitgestellt. Der Liquiditätsengpass und die Notkredite des Bürgermeisters wurden Ende August publik, als auch diese 1,4 Mrd. Euro knapp wurden. In der Folge gewährte der Bund über die Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) weitere 2 Mrd. Euro Kreditrahmen.
Weinelt ist auch Aufsichtsratschef der Wien Energie. Der Stadtwerke-Direktor skizzierte zunächst kurz die Situation der Märkte im Vorjahr. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine sei es hier zu massiven Veränderungen - mit teils tausendprozentigen Preisanstiegen - gekommen. Damals sei auch erstmals ein physikalischer Lieferengpass und nicht nur hohe Preise im Raum gestanden, so Weinelt. Dies sei vorher nie der Fall gewesen.
"Dinge, die wir nicht für möglich gehalten haben"
Geschehen seien jedenfalls Dinge, "die wir nicht für möglich gehalten haben". Im Sommer hätten die extremen Ausschläge dann zu hohen Sicherheitsleistungen an den Energiebörsen geführt. Weinelt betonte, dass die Darlehen zurückgezahlt bzw. nicht in Anspruch genommen worden seien. Die Wien Energie hätte auch ihre Verträge immer eingehalten. Andere Anbieter hätten viele Kunden gekündigt, hier sei die Wien Energie eingesprungen. "Wir haben zehntausende Kunden dazugewonnen."
Erstmals dramatisch wurde die Situation laut Weinelt im Juli 2022 als die Gazprom ankündigte, dass die Gaspipeline Nordstream 1 nach der Wartung möglicherweise nicht mehr in Betrieb geht. "Da war für mich äußerster Handlungsbedarf." Bei Jourfixen mit Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) sei über die Situation gesprochen worden. Man habe ihn laufend über die Märkte informiert. Auch Unterlagen habe man dem Stadtrat übergeben.
Es habe sich dabei etwa um Charts über die Entwicklung der Energiesituation gehandelt. Der Vorsitzende wollte konkret wissen, wann es den "ersten Hilferuf" an die Stadt gegeben habe. Weinelt berichtete hier etwa von einem Telefonat mit Hanke im Juli, wobei er das genaue Datum nicht mehr wisse, wie er erläuterte. Generell habe es jedoch zahlreiche Gespräche mit verschiedenen Personen in der Stadt oder den Stadtwerken gegeben. Man habe sich auch mit der Magistratsabteilung 5 (Finanz) beraten.
Jedenfalls seien hohe Sicherheitsleistungen benötigt worden, da große Verwerfungen befürchtet wurden. Ende August sei dies kulminiert. Bei normalen Börsen hätte man in den Handel eingegriffen, zeigte er sich überzeugt. Es sei zu einem "enormen Preisauftrieb" gekommen. Die Wien Energie benötige aber Gas, um Fernwärme erzeugen zu können, erläuterte Weinelt.
Nicht mit Bürgermeister Ludwig gesprochen
Man habe darum entsprechend vorsorgen müssen. Der Stadtrat habe die Stadtwerke unterstützt. Mit Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat Weinelt laut eigenen Angaben nicht über das Thema gesprochen. "Wie genau die Anträge an den Herrn Bürgermeister ausgesehen haben, kann ich ihnen nicht beantworten." Über die 700 Mio. Euro - also die erste in Notkompetenz erteilte Kredittranche - habe er im Vorfeld nicht mit ihm geredet.
Wien-Energie-Chef Strebl schilderte zunächst ebenfalls den Informationsfluss zwischen Unternehmen und Eigentümer. Dieser laufe vor allem über die Mutter, also die Stadtwerke, wie er betonte. Immer wieder gebe es aber auch direkten Kontakt mit der Stadt. "Das Rathaus ist groß", verwies er auf unterschiedliche Themenbereiche, die mit dem Magistrat besprochen würden. In finanziellen Belangen war jedoch die Chefetage der Stadtwerke sein Ansprechpartner, wie Strebl erklärte.
Denn auch die Finanzierung laufe jeweils über den Konzern. Gebe es Bedarf an Liquidität, wende man sich an die Stadtwerke. Dort würden dann etwa Mittel aus dem Konzern ("Cash-Pooling") herangezogen oder Kredite in die Wege geleitet. Der Handel an der Energiebörse in Leipzig ist laut Strebl wiederum die einzige Möglichkeit, ohne Ausfallsrisiken zu agieren. Direkt bei Erzeugern zu kaufen sei viel riskanter. "Das ist für uns alternativlos." Dafür müssten Kautionen, also Sicherheitsleistungen hinterlegt werden - ähnlich wie Wohnungsmieter dies tun müssten. Spekuliert werde an der Energiebörse nicht, dies sei im Unternehmen verboten.
Nach dem Angriff auf die Ukraine seien die Preise massiv angestiegen. Allerdings sei man zunächst noch mit der eigenen Liquidität ausgekommen. Als schließlich die Möglichkeit zu erkennen war, dass Russland die Gaslieferverträge nicht mehr einhält, habe sich die Situation jedoch geändert. Ein Lieferstopp sei über Jahrzehnte unvorstellbar gewesen, so der Zeuge.
Auf die "energiewirtschaftliche Bombe" im Juli folgte laut Strebl ein Stresstest, der das Risiko beleuchte sollte, vor dem das Unternehmen stünde. Auch der Liquiditätsbedarf wurde beziffert - mit bis zu 1,4 Mrd. Euro. "Das hätte unseren Berechnungen zufolge auch ein Sofortbedarf sein können." Man sei jedenfalls "heilfroh" gewesen, diese Mittel zu erhalten. Die Stadt zahlte in zwei Tranchen.
"Schwarzer Schwan"
Dann kamen jene denkwürdige Tage im August. Für Strebl stellt die damalige Entwicklung einen "schwarzen Schwan" dar, also eine nicht vorhersehbare Entwicklung. Der Preisanstieg sei dramatisch gewesen, etwa so als ob der Benzin an Tankstellen innerhalb weniger Tage plötzlich 30 Euro pro Liter koste. Man habe umgehend die Stadtwerke informiert. Denn: "Es ist Aufgabe der Eigentümer, die notwendige Liquidität zu besorgen. Da hat es intensive Gespräche gegeben."
Allerdings habe er keinen direkten Kontakt mit Hanke und Ludwig gehabt. Strebl berichtete lediglich von einer Sitzung mit dem Magistratsdirektor unmittelbar vor dem Treffen mit dem Bund. Dass dieser - oder die EU - keinen "Schutzschirm" über die Energiewirtschaft gespannt habe, wurde von den beiden Managern heute beklagt. Andere Staaten hätte dies getan, betonten sie.