Vorsicht vor Ku(h)likitaka: Die Konflikte am Berg nehmen zu
Von Matthias Nagl
Das hat den Almbauern gerade noch gefehlt. Nach dem Kuh-Urteil und dem verstärkten Andrang von Wanderern durch die neugewonnene Freiheit nach den Corona-Beschränkungen macht ihnen nun ein fragwürdiger Trend auf der Teenager-App Tiktok zu schaffen.
Wie groß die Nervosität unter Almbauern – wegen von Tieren angegriffener Wanderer – ist, zeigt der Fall eines Pinzgauer Landwirts. Er hat einen Wanderweg im Nationalpark Hohe Tauern unter Verweis auf seinen Privatgrund und das Kuhurteil – einem Bauern war nach einem tödlichen Unfall mit einer Kuh eine Teilschuld zuerkannt worden – auf eine mit einem großen Holztor verbarrikadiert. Der Aufschrei alpiner Vereine war groß, nun wird nach einer Lösung gesucht. Er wolle nur Rechtssicherheit, soll der Bauer gesagt haben.
„Kulikitaka“ nennt sich dagegen die neue Tiktok-Challenge nach einem Lied des dominikanischen Merengue-Sängers Tono Rosario. Dabei laufen meist jugendliche Nutzer nach einem kurzen Tanz auf Kühe zu und versuchen, diese zu erschrecken.
Kühe ändern Verhalten
Zwar gibt es bisher nur wenige bestätigte Fälle aus Oberösterreich und einen aus Salzburg, die Landwirtschaftskammern sind aber alarmiert. „Ich habe zuerst gedacht, das ist ein schlechter Scherz. Da wird der Hausverstand ganz weit hinten angehängt“, sagt Rupert Quehenberger, Präsident der Salzburger Landwirtschaftskammer.
In Österreich kann man noch nicht von einem Trend sprechen, eine Konsequenz hat das neue Phänomen aber schon jetzt. Der Nutzungskonflikt zwischen Landwirtschaft und Freizeitvergnügen wird ins Virtuelle verlagert. Die Kulikitaka-Videos haben hohe Zugriffszahlen, aber auch ein an die Tänzer gerichtetes Wut-Video eines Bauern sorgt für viel Aufsehen.
Quehenberger erklärt, was das Gefährliche an dem neuen Trend ist: „Erschrecken ist für niemanden gesund. Wenn das in regelmäßigen Abständen passiert, könnten die Kühe annehmen, dass sie vom Menschen immer erschreckt werden und in eine Angriffshaltung gehen. Tiere sind nicht berechenbar.“ Dazu braucht es keine tanzenden Teenager, auch bellende Hunde können Kühe verschrecken.
Langwierige Aufklärung
Doch wie lassen sich solche Konflikte, die offenkundig zunehmen, von vornherein vermeiden? In Tirol gibt es seit 2014 auf Betreiben des Landes den Verein „Bergwelt Tirol“. Er soll im Konfliktfeld zwischen Bergsport und Landwirtschaft für einen Interessensausgleich sorgen. Mit Warntafeln wird etwa auf den Unterschied zwischen normaler Weidehaltung und Mutterkuhhaltung verwiesen. Allein seit vergangenem Jahr wurden 10.000 Hinweisschilder aufgehängt.
Inwieweit das erfolgreich ist, lässt sich schwer beurteilen. Dieter Stöhr, Projektleiter des Vereins, berichtet von den Erfahrungen mit anderen Sportarten wie Skitourengehen: „Touristen lassen sich wunderbar lenken, Einheimische schwerer.“ Wenn jemand die Route schon immer genommen habe, wolle er sich keine neue suchen. Dazu gibt es dann Arbeitskreise in den Gemeinden. „Das ist zäh und kostet viele Abende. Aber wenn man es geschafft hat, dann funktioniert es.“