Chronik/Österreich

„Unkrautwaggon“ fährt jetzt ohne Glyphosat

Sicherheit und Eisenbahngesetz verlangen, dass es im Bereich der Gleisanlagen keinen Grünbewuchs geben darf. So werden Frostbeulen oder Wassersäcke verhindert, die die Schienenanlagen um wenige Millimeter heben oder senken könnten – für einen heranbrausenden Railjet und andere Züge sind völlig ebene Schienen aber eine Grundvoraussetzung, damit diese bei hohen Geschwindigkeiten sicher durch das Land gleiten.

8.000 Kilometer Schienennetz müssen jedes Jahr kontrolliert und grünfrei gehalten werden. 6.000 davon erledigt alleine der „Green Tracker“. Und das im Zeitraum von April bis Ende Juli, in der Zeit, in der die Vegetation gedeiht. 113 Meter ist der Zug lang, in dem der Green Tracker als ein Waggon integriert ist. 288 Tonnen ist das Ungetüm bei voller Beladung schwer – Spritzmittel für die ganze Saison, dazu 60.000 Liter Wasser, alle zwei Tage wird nachgefüllt.

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Grün nicht auf Schiene

Ewelina Klein, ÖBB-Expertin für Vegetationskontrolle, erklärt: „Mit dem "Green Tracker" können wir durch die Grünerkennung eine effiziente Vegetationskontrolle auf unserem Strecken durchführen.“ Der Zug ist gespickt mit Kameras mit optischer und EDV-gestützter Grünerkennung, die während der Fahrt mit etwa 50 km/h erfassen, wenn sich grüne Pflanzen am Gleiskörper oder bis vier Meter von der Schienenmitte entfernt neben den Gleisen breit machen. Und schon werden die entsprechenden Düsen aktiviert, die das Vertilgungsmittel punktgenau auf das – ungeliebte – Grün sprühen. So ist gewährleistet, dass nur auf etwa einem Viertel des Netzes tatsächlich auch Pflanzengift eingesetzt wird.

Das führt zu einer massiven Einsparung von Spritzmittel und Wasser. Und eines sparen die ÖBB sich und der Umwelt seit heuer ganz: Glyphosat, über dessen Verbot seit Jahren diskutiert wird. Ein Teilverbot gibt es, in der Landwirtschaft ist es weiter erlaubt. Die ÖBB waren laut eigenen Angaben alleine für etwa ein Prozent des Glyphosat-Verbrauchs in Österreich verantwortlich. Die ÖBB verwenden nun kostenintensiveres Flazasulfuron und Flumioxazin, vom Bundesamt für Ernährungssicherheit für Gleisanlagen zugelassene Mittel.

Leben im Zug

Im Zug „leben“ zwei „Bediener“, sie sind 16 Stunden pro Tag unterwegs. Immer vier Stunden Dienst, dann vier Stunden frei. Zwei Wochen durchgehend, außer am Wochenende. Dann zwei Wochen daheim. Mario Ströbel und Jürgen Spitzer versehen beim KURIER-Lokalaugenschein Dienst.

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Sie haben den "Green Tracker" mit entwickelt, ein gemeinsames Projekt der ÖBB mit der Firma Electric Engeneering GmbH Automatisierungstechnik. Der Spritzzug, intern auch „Unkrautwaggon“ genannt, feiert heuer seinen 10. Geburtstag.

Man muss sich gut verstehen, sagen die zwei Gmundner, die sich in den zwei Wochen immer einen Waggon als privaten Rückzugsraum teilen. Dort kochen sie gemeinsam nach Dienstschluss, schauen fern und verbringen ihre Pause. Während der andere am Steuerungsplatz vor den sieben Monitoren mit unzähligen Kamera-Einstellungen, Streckenplänen und Schaltknöpfen sitzt und dafür sorgt, dass die Vertilgung des ungeliebten Grüns ordnungsgemäß funktioniert.

Glyphosat und ein Verbot, das keines ist

Vor knapp einem Jahr wurde vom Nationalrat  ein Teilverbot für Pflanzenschutzmittel mit Glyphosat  beschlossen.  Im Wesentlichen wurde das Herbizid auf Flächen, die von der Allgemeinheit oder von gefährdeten Personengruppen genutzt werden, untersagt. Dazu zählen etwa Sportplätze und Parks. Auch in Kleingärten werden die Mittel nicht mehr zugelassen, in der Landwirtschaft ist der Einsatz aber nach wie vor erlaubt.
Aktuell hat im Gegensatz zur Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) ihre Bewertung zum Pflanzenschutzmittel Glyphosat bereits abgeben und  das Herbizid als giftig für Wasserlebewesen, aber nicht krebserzeugend klassifiziert, was vonseiten der Umweltschutzorganisationen Global 2000 und Greenpeace kritisiert wurde. Beide NGOs erinnern an die Bewertung der WHO-Krebsforschungsagentur IARC, die den Unkrautvernichter 2015 – im Gegensatz zu anderen Behörden – als „wahrscheinlich krebserregend“ für Menschen eingestuft hat. 

 

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