Start der Wandersaison: Vorbereitung auf Ansturm oder Flaute
Die Voraussetzungen für die heurige Almsaison könnten im Vergleich zum Vorjahr nicht unterschiedlicher sein. Damals überlegten heimische Bauern, ob sie ihre Tiere überhaupt auftreiben sollten oder andernfalls ihre Almen für Wanderer sperren. Heuer stellt sich eher die Frage: Wer kommt denn in Corona-Zeiten überhaupt in die Berge?
Die Verunsicherung im Frühjahr 2019 entstand durch das im Februar ergangene Kuh-Urteil. Nach einem langen Zivilprozess war der Halter einer Mutterkuh-Herde zur Zahlung von rund 490.000 Euro an den Witwer und den Sohn einer Deutschen verurteilt worden, die 2014 von den Tieren des Tiroler Bauern zu Tode getrampelt worden war.
Eigenverantwortung
Das Oberlandesgericht Innsbruck erkannte später eine Teilschuld der Frau. Über eine von beiden Parteien beantragte außerordentliche Revision hat der Oberste Gerichtshof (OGH) bis heute nicht entschieden. Aber durch eine Gesetzesänderung im Vorjahr ist inzwischen eine ordentliche Portion Eigenverantwortung der Almwanderer verankert.
„Das hat für Rechtssicherheit gesorgt“, sagt Tirols Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Hechenberger (ÖVP). Der Almauftrieb habe ungeachtet der Corona-Krise bereits begonnen. Die dürfte aber dafür sorgen, dass sich das Aufkommen an Wanderern – und somit die Zahl von Begegnungen mit potenziell aggressiven Kühen – in Grenzen hält.
Denn vorerst bleibt etwa den Deutschen – der mit Abstand größten Gästegruppe im Tourismus – der Weg in die österreichischen Berge verwehrt. „In den vergangenen Jahren hatten wir eher das Problem, dass wir an die Obergrenze kommen“, sagt Hechenberger.
Ideenkatalog für Öffnung
Das Angebot an Schutzhütten dürfte für Wanderer aber praktisch unverändert sein. Diese dürfen wie Hotels am 29. Mai öffnen. Laut Alpenverein gibt es kaum Hüttenpächter, die überlegen, aufgrund der verschärften Auflagen nicht zu öffnen. Wie die Regelungen für Übernachtungen aussehen, ist aber nach wie vor offen.
Kommende Woche soll die entsprechende Verordnung vorliegen. Darauf hofft auch der Alpenverein. „Wir haben einen Ideenkatalog an das Ministerium geschickt, wie man einen sicheren Hüttenbetrieb gewährleisten könnte“, sagt Peter Kapelari, Leiter der Abteilung Hütten. Diese Ideensammlung wurde gemeinsam mit den Naturfreunden und anderen alpinen Vereinen erstellt.
Je nach Hütte könnte es zu Einbahn-Regelungen, Frühstück und Abendessen in zwei Schichten sowie einer Umstellung auf Selbstbedienung kommen. Matratzenlager könnten weniger dicht belegt werden, auch eine einfache bauliche Trennung für Schlafkojen ist denkbar. „Das hätte den positiven Nebeneffekt, in den Matratzenlager mehr Intimsphäre zu schaffen“, sagt Kapelari.
Wie groß der Andrang sein wird, ist aktuell schwer abzuschätzen und regional unterschiedlich. „Viele Wirte in Oberösterreich, Niederösterreich und der Steiermark, die überwiegend einheimische Gäste haben, erwarten, dass heuer mehr Gäste kommen werden. In Westösterreich ist der Anteil deutscher Gäste wesentlich größer, da hängt es von den Reisebedingungen ab“, sagt Kapelari.
Angst vor Corona-Fällen
Hermann Maislinger, Wirt der Sonnblickbasis der Naturfreunde in Kolm-Saigurn, setzt auf seine Stammgäste. „Sehr viele haben schon angefragt“, sagt er. Maislinger wird heuer keine Plätze im Matratzenlager anbieten und aufgrund der zu erwartenden Auflagen nur Zimmer vermieten. Eine Komplettschließung für den Sommer sei aber auch für ihn nie ein Thema gewesen.
Viele Wirte hätten aber rechtliche Bedenken für den Fall, dass eine Covid-19-Infektion auftritt, berichtet Kapelari. Sie fürchten, dass bei einem einzigen Verdachtsfall die ganze Hütte gesperrt wird. „Wir haben aber inzwischen eine schriftliche Bestätigung, dass damit nicht zu rechnen ist“, sagt Kapelari.
Wie schnell das gehen kann, zeigte sich im heurigen Jänner beim ersten Corona-Verdachtsfall Tirols. Damals wurden die Landesbehörden vom bayerischen Gesundheitsamt informiert, dass eine an Covid-19a erkrankte Deutsche vor ihrem positiven Test auf der Dortmunder Hütte im Kühtai geurlaubt hatte.
Daraufhin wurde von Tiroler Seite das Kontaktfeld der Frau auf der Hütte identifiziert und informiert. Es gab jedoch keine weiteren Ansteckungsfälle. Für das später zum Corona-Hotspot mutierte Tirol zeigte sich aber erstmals, welche Infektionsgefahren im Tourismus lauern. Es hätte ein Warnschuss sein können.
Leitfaden gegen das Virus am Berg
Wandern gehört zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Österreicher. Berggeher sollten sich jedoch auf neue Regeln einstellen: Vertreter der alpinen Vereine haben einen Leitfaden zusammengestellt, der die coronabedingten Schutzmaßnahmen aufzählt. Alpenverein und Naturfreunde stellten sieben Grundregeln auf. „Ziel ist es, das Infektionsrisiko zu minimieren“, erklärt Andreas Ermacora, Präsident des Österreichischen Alpenvereins. Und so sehen die Tipps im Detail aus:
Abstand halten Zwei Meter Abstand empfehlen die Vereine. Sie rechnen nicht in Babyelefanten, sondern in zwei Armlängen von Erwachsen. Wenn in Ausnahmefällen der Mindestabstand unterschritten werden muss, soll eine Mund-Nasen-Schutzmaske verwendet werden.
Auf Rituale verzichten Händeschütteln vor dem Losgehen, Gipfelbussi, Trinkflasche dem Kollegen anbieten all das ist am Berg üblich, soll aber nun unterlassen werden.
In Kleingruppen gehen Je mehr Leute, desto schwieriger werde das korrekte Abstand halten. Die konkrete Personenzahl hängt von der Sportart ab – die vorgegebene Obergrenze beträgt 10 Personen. Stark frequentierte Touren und Plätze sollten gemieden werden.
Maske im Rucksack Mund-Nasen-Schutz und Desinfektionsmittel gehören nun zur Grundausstattung bei Wanderungen.
Mund-Nasen-Schutz im Auto Die Vereine erinnern auch an die Regeln bei Fahrgemeinschaften. Sitzen Personen in einem Pkw, die nicht in einem Haushalt leben, müssen Masken getragen werden. Zudem dürfen in jeder Sitzreihe einschließlich des Lenkers nur zwei Personen befördert werden. Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln wird empfohlen. Da fällt das Abstand halten leichter.
Weniger riskieren „Deutlich unter der persönlichen Leistungsgrenze bleiben“, rät der Leitfaden. Das habe mit den „coronabedingten Erschwernissen bei Rettungseinsätzen und zusätzlicher Belastung der Spitäler“ zu tun.
Hilfe im Notfall Wie immer gilt trotz der gebotenen Vorsicht vor Ansteckung im Notfall Erste Hilfe leisten, dabei aber Mund-Nasen-Schutz verwenden.
Darüber hinaus gibt es gesonderte Zusatzregeln für einzelne Sportarten, etwa eine eigene Abstandsregel beim Mountainbiken. Beim Hintereinanderfahren gelten 5 Meter bergauf und 20 Meter bergab sowie in der Ebene als Mindestabstand. In Klettergärten soll das Seil möglichst nicht mit dem Mund gehalten werden.