Rot-grün-rote Koalition: "Nicht alles vereint uns, aber vieles"
"Der Titel Bürgermeisterin ist noch gewöhnungsbedürftig", gesteht Elke Kahr. "Ich bin ja jahrzehntelang nur als Frau Kahr oder Frau Elke angesprochen worden, auch als Stadträtin." Der Obfrau der Grazer KPÖ ist jedoch Amt wie Titel nahezu sicher: Die vor zehn Tagen gestarteten Sondierungsgespräche mit Grünen und SPÖ sind beendet, am Samstag ging es mit den offiziellen Koalitionsverhandlungen in Graz los.
Die SPÖ segnete den Wunsch ihres Obmannes Michael Ehmann Freitagabend ab, mit den beiden anderen Parteien eine verbindliche Zusammenarbeit einzugehen, auch wenn die Sozialdemokraten keinen Stadtratssitz haben. "Wir arbeiten auf Augenhöhe und ergebnisorientiert", begründet Ehmann seine Unterstützung, der Wahlziele der SPÖ im Regierungsprogramm wiederfinden will.
In zweieinhalb Wochen schreiben Kahr und die Obfrau der Grazer Grünen, Judith Schwentner, also Geschichte: Bei der konstutierenden Sitzung des Gemeinderates am 17. November wird Kahr zu Bürgermeisterin gewählt - sie ist das erste weibliche Stadtoberhaupt überhaupt. Vermutlich einen Tag später steht die Wahl Schwentners zur Vizebürgermeisterin an - ein weibliches Führungsduo gab es bisher in noch keiner österreichischen Landeshauptstadt. Und das noch dazu in einer österreichweit völlig unüblichen Parteienkonstellation: Nur in Graz sind Kommunisten so stark bei Kommunalwahlen, um überhaupt in so eine Position gelangen zu können.
"Nicht alles vereint uns, aber vieles", fasst Judith Schwentner die ungewöhnliche Koalition zusammen. "Die Klammer ist Soziales und Klimaschutz, Transparenz und Demokratie." Vier Verhandlungsgruppen legen in den kommenden Wochen nun die Inhalte fest: "Das ergibt einen breiten Katalog", beschreibt Schwentner. Die exakten Details stehen noch nicht fest, aber die Parteiobleute geben die Richtung vor. Umweltfreundliche Mobilität ("Fußgänger vor Radfahrer, Radfahrer vor Kfz"), bezahlbarer Wohnraum, eine Erhebung des leerstehenden Wohnraums überhaupt, weniger Ausgaben für Werbung, transparente Personalpolitik bei Postenbesetzungen bis hin zur Bestellung der Aufsichtsräte. "Die Stadt wird wieder Dienstleister für die Bürger und dient nicht mehr zur Selbstdarstellung", kommentiert SPÖ-Chef Ehmann.
Noch keine Ressortverteilung
Über Ressorts sei noch nicht gesprochen worden, denn es gehe "um ein Gesamtpaket", versichert Schwentner. "Aber wir bringen natürlich viel von unserer politischen Herkunft mit." Das zugrunde gelegt, könnte Schwentner Umwelt-, Verkehrs- und Stadtplanungsagenden übernehmen, das bisher von der ÖVP geführte Finanzressort könnte an den designierten KPÖ-Stadtrat Manfred Eber wandern.
ÖVP und FPÖ, die wegen des Proporzsystems ebenfalls Stadträte stellen, sollen ebenfalls "sehr wichtige Themenbereiche" zugeordnet bekommen, versichert KPÖ-Chefin Kahr. Sie dürfte wohl zusätzlich zum Bürgermeisteramt auch die Wohnungsagenden übernehmen, jenes Ressort, das die KPÖ in Graz erst so stark gemacht hat, dass sie letztlich bei den Wahlen am 26. September stimmenstärkste Fraktion wurde und die ÖVP überholte.
Apropos übernehmen: Kahr wird auch in das offizielle Bürgermeisterbüro im Rathaus mit Blick auf den Schloßberg einziehen. "Das sieht die Etikette wahrscheinlich so vor", kommentiert sie schmunzelnd. Es soll aber nach Möglichkeit so offen geführt werden wir ihr bisheriges Stadtratsbüro. "Und ich würde es gerne mit jemandem teilen, es ist riesengroß."