Chronik/Österreich

Qualitative Zweifel an 220.000 PCR-Tests in Tirol

Ein Vertrag über acht Millionen Euro zwischen dem Land Tirol und der Firma HG LabTruck des Wiener Urologen Ralf Herwig sorgte bereits für Aufregung, da es keine Ausschreibung gegeben haben soll. Nun werden rund 220.000 von der Firma durchgeführte PCR-Tests qualitativ infrage gestellt. Wie Der Standard berichtet, soll eine Partnerfirma der HG LabTruck kein Material für die Tests geliefert haben.

Außerdem sei Herwig als Urologe nicht qualifiziert, die PCR-Tests zu befunden. Eine Kooperation mit einem Labormediziner aus Deutschland sei zwar besprochen, aber nicht durchgeführt worden. Es stehe der Verdacht im Raum, dass seit November keine oder fachlich nicht richtige Tests geliefert wurden. Außerdem dürfe Herwig derzeit wegen einem Prozess in einer anderen Causa überhaupt nicht als Arzt praktizieren.

Das Land Tirol gab gegenüber der Zeitung an, dass der Vertrag für die Testungen noch bis Juni 2021 laufe. Die APA berichtete zuletzt, dass der Vertrag mit dem Unternehmen bereits am 31. März ausgelaufen sei und das Land die Laborleistungen nun neu ausschreibe.

Ohne Ausschreibung

Die Wiener Firma HG Pharma erhielt im September den Auftrag direkt und ohne Ausschreibung, berichtete der ORF Tirol vergangene Woche. Die Oppositionspartei Liste Fritz ortet Freunderlwirtschaft und ist der Ansicht, dass eine Ausschreibung nötig gewesen wäre. Elmar Rizzoli, Leiter des Corona-Einsatzstabes, wies die Vorwürfe entschieden zurück.

Zu Beginn der zweiten Corona-Welle, als man noch "drei, vier Tage auf positive Testergebnisse warten" musste, sei die Firma an das Land herangetreten, sagte Rizzoli. "Diese Firma und die Personen sind uns unbekannt gewesen", wehrt er sich gegen den Vorwurf der Freunderlwirtschaft. Die Vergabe sei "bei diesem Volumen und dieser Dienstleistung, die hier angeboten worden ist, im behördlichen Bereich zu diesem Zeitpunkt so auch möglich" und damit auch "rechtens" gewesen.

Die HG Lab Truck GmbH - eine Tochterfirma der HG Pharma mit Sitz in Kirchberg in Tirol - sei im September mit einem "All-Inclusive"-Paket an das Land herangetreten. Unter anderem in mobilen Labors wurden PCR-Tests für 38,50 Euro gemacht, die Eingabe in die Datenbank brachte dem Unternehmen jeweils 1,50 Euro ein, pro Mutationsscreening wurden 60 Euro verrechnet. Herwig versicherte dem ORF, dass die Qualität bei einem Preis von 38,50 Euro stimme.

"Freunderlwirtschaft unwahrscheinlich"

Herwig selbst konnte mit dem "Vitamin-B"-Vorwurf wenig anfangen: "Dass es hier Freunderlwirtschaft gibt, halte ich eher für unwahrscheinlich, weil ich als nicht gebürtiger Tiroler immer so ein kleines Problem habe". Er habe einen deutschen Pass und dürfe nicht wählen, "deswegen bin ich auch keiner politischen Partei besonders zugeneigt", meinte er.

Mit "Wundermittel" in den Schlagzeilen

Der Urologe ist kein Unbekannter. Vor drei Jahren kam er wegen eines von ihm propagierten Wundermittels u.a. gegen Krebs und Autismus in die Schlagzeilen - ohne wissenschaftliche Belegung, wie die "ZiB2" berichtete. Eine Verwaltungsstrafe war die Folge, der Mediziner hat dagegen Einspruch erhoben. Eine letztgültige Entscheidung steht noch aus.

Zudem muss er sich demnächst in einem Verfahren vor dem Wiener Straflandesgericht verantworten. Herwig wird schwere Körperverletzung und schwerer Betrug vorgeworfen. Er soll mehrere Männer wegen Potenzproblemen operiert haben, die daraufhin dauerhaft impotent wurden.

Die Liste Fritz jedenfalls bekrittelte, dass statt einem "heimischen Labor" ein "Urologe aus dem Osten" den Auftrag erhalten habe. "Platter, Tilg (Landeshauptmann und Gesundheitslandesrat, beide ÖVP, Anm.) und Co. haben sich von einer Hochglanzbroschüre, von gutem Marketing und einem grenzwertig niedrigem Einzelpreis pro PCR-Test blenden lassen", sagte Klubobfrau Andrea Haselwanter-Schneider.

Die Liste Fritz forderte, dass die Zusammenarbeit nicht verlängert werden soll und Einsicht in den Vertrag.