Chronik/Österreich

Abflug nach Rom oder: Weshalb die Kirchenglocken Pause machen

Die Kirchenglocken fliegen . . . richtig, nach Rom. Und zwar am Gründonnerstag. Doch warum bloß?

"Um zu beichten? Um mit dem Papst Mahl zu halten? Um Kraft zu tanken? Um Ostereier zu holen, die sie bei ihrer Rückkehr ins Gras werfen?“ – Augenzwinkernd versuchen Kirchenexperten der Diözese Linz, den Volksmund zu interpretieren: Die Glocken fliegen fort, um rechtzeitig zum höchsten Fest der Christen mit dem päpstlichen Segen heimzukehren – und "Urbi et Orbi" wird bekanntlich in Rom gespendet.

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Weshalb schweigen die Glocken nun wirklich?

Sämtliche Glocken verstummen am Abend des Gründonnerstag, um an das letzte Abendmahl, die Kreuzigung Jesu (Karfreitag) und die Grabesruhe (Karsamstag) zu erinnern. Das gleicht dem Verhüllen von Kreuzern oder Bildern in den Kirchen. Sie erklingen erst wieder mit dem "Gloria“ in der Osternacht, also mit der Auferstehung Christi. Bis dahin übernehmen vielerorts Ratschen die Aufgaben der Glocken.

Wie viele Exemplare gibt es in Österreich und wann läuten sie?

Allein die katholische Kirche zählt 20.696 Stück. Beinahe jede Diözese hat Beauftragte, die für ihre Erhaltung und Zählung zuständig sind, in der Erzdiözese Salzburg ist Josef Kral der Glockenreferent: "Glocken sind primär dazu da, gehört zu werden. Sie sind wertvolle Musikinstrumente und ein Kulturgut.“

Die meisten von ihnen erklingen in Gruppen ("Geläute“) und haben aufeinander abgestimmte Töne. Sie läuten unter anderem vor und während Gottesdiensten, aber auch bei Ernennungen von Bischöfen oder der Wahl eines Papstes. Außerdem wurden sie in der Vergangenheit auch für profane Zwecke eingesetzt, etwa als eine Art Sirene zur Warnung vor Feuer oder Sturm. Auch das neue Jahr wird oftmals von Kirchenglocken eingeläutet, etwa der "Pummerin“ .

Wieso haben Glocken Namen?

Vorweg: Österreichs größte Glocke, die "Pummerin“ im Nordturm des Stephansdoms in Wien, trägt eigentlich einen anderen Namen, "Marienglocke“. Aber wegen ihres tiefen Klangs, der als pummernd oder pumpernd beschrieben wird, wurde sie eben rasch als "Pummerin“ bezeichnet. Wie Glocken benannt werden, hat grundsätzlich mit ihrem Zweck oder Stifter zu tun beziehungsweise mit einer oder einem Heiligen. So wäre eine "Dominica“ genannte Glocke eine, die nur sonntags läutet; eine "Floriansglocke“ wäre nach dem Heiligen Florian benannt und entsprechend gesegnet.

Wer wählt die Bezeichnung aus?

Der Name bzw. Heilige als Patron wird von der Pfarre ausgesucht, die die Glocken bestellt, beschreibt Klaus Waltritsch von der Diözese Graz-Seckau: Der Schutz durch den betreffenden Heiligen gilt dann auch für das Geläute dieser Glocke in deren Einzugsgebiet – wo man eine "Floriansglocke“ hören kann, soll man vor Feuer sicher sein. Zuweilen wechseln die Glocken aber auch ihre Namen: Aus der "Karlsglocke“ im Glockenturm auf dem Schloßberg in Graz – benannt nach dem Stifter, Erzherzog Karl – wurde im 19. Jahrhundert schlicht "die Liesl“, vermutlich wegen der Elisabethkapelle in der Burg.

Wie alt sind Österreichs Glocken?

Jünger als vermutet, denn viele Exemplare wurden während der Weltkriege eingeschmolzen und zur Waffenproduktion verwendet, vor allem im Ersten Weltkrieg. Glocken werden aus Bronze hergestellt, also aus Kupfer und Zinn – das ist Material, das unter anderem auch für Kanonen gebraucht wurde. Geschätzt wird, dass nur noch rund 2.500 der mehr als 20.000 Glocken in den katholischen Kirchen vor 1900 gegossen wurden.

Selbst die "Pummerin“ ist eine Replik jener Glocke, die 1711 auf Geheiß Kaiser Joseph I. aus erbeuteten Kanonenkugeln der Osmanen gegossen wurde. Diese Glocke wurde allerdings nicht eingeschmolzen, sondern beim Brand 1945 zerstört und 1951 neu gegossen. Als älteste datierte Kirchenglocke gilt die "Friedensglocke“ in St. Martin am Ybbsfelde in Niederösterreich, sie stammt aus dem Jahr 1200.