Wenn Kirchen mit Glockenläuten gesellschaftliche Statements setzen

Seit Jahrhunderten erklingen die Glocken des Stephansdoms in der Inneren Stadt. Ab dem Jahr 1444 gab es sogar einen sogenannten Türmer, der die Glocken läuten musste, wenn er einen Brand entdeckte, um freiwillige Helfer zu alarmieren.
Auch am Montagabend hörte man die Glocken des Steffl (exklusive der Pummerin, deren Läuten in einem strengen Protokoll geregelt ist) – allerdings nicht, weil es brannte, sondern als Untermalung der Gedenkfeier für die verstorbenen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr.
Zu verstehen ist das Läuten als ein Zeichen der Wertschätzung. Man könnte es aber auch – ganz in der jahrhundertelangen Türmer-Tradition – als eine Warnung vor Gefahr verstehen.
Eine Warnung vor einer Gesellschaft, in der eine Frau nicht nur in den Tod getrieben wurde, sondern in einschlägigen Internetforen auch noch mit Häme darauf reagiert wurde.
Gegen Hunger
Dass Kirchenglocken dazu genutzt werden, ein (politisches) Zeichen zu setzen, ist dabei nicht das erste Mal. Erst am vergangenen Freitag läuteten auf Initiative der Caritas österreichweit fünf Minuten lang rund 3.000 Glocken, um auf die Verschärfung der Hungerkrise aufmerksam zu machen. Wegen der Klimakrise, der Covid-19-Pandemie und bewaffneter Konflikten steigt der Hunger in der Welt nach jahrelangen Rückgängen wieder an.
Im Jahr 2009 wurden sogar weltweit die Kirchenglocken für den Klimaschutz geläutet. Auf Anregung des Weltkirchenrats sollten jeweils 350 Glockenschläge erklingen. Die Zahl 350 bezieht sich auf 350 ppm: Dies ist nach Ansicht vieler Wissenschafter die Höchstgrenze für eine ungefährliche CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre. Im Jahr 2009 lag der Wert bei 390 ppm erreicht, vergangenes Jahr lag er schon bei 417.
Kollektives Glockenläuten hörte man in Wien im Jahr 2015 in Liesing auf Initiative der evangelischen Johanneskirche. Die FPÖ hatten inmitten der damaligen Flüchtlingskrise zu einer Demo gegen ein geplantes Asylheim im 23. Bezirk aufgerufen. Während des Protests läuteten die Glocken, um ein Zeichen für die Willkommenskultur zu setzen.
Wer kommt und löscht?
Glockengeläut ertönt also dann, wenn es brennt, Früher buchstäblich gesprochen, heute im übertragenen Sinn. Der Unterschied liegt aber in der Konsequenz. Kam im 15. Jahrhundert die Feuerwehr angefahren, ist jetzt noch unklar, wer all die Brände löscht.
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