Nach Vorfällen bei Klima-Demo: "Brauchen eine Polizei-Polizei"
Die Bilder gingen durch alle Medien: Ein junger Mann wird von Polizisten am Boden fixiert, sein Kopf liegt vor dem Reifen eines Polizeibusses. Als dieser plötzlich anfährt, ziehen die Beamten den Mann in letzter Sekunde unter dem Bus hervor.
Nur einer von mehreren Vorfällen auf einer Klima-Demo Ende Mai in Wien, die zu einer Untersuchung des Polizeieinsatzes durch Amnesty International führten.
In dem Bericht, der dem KURIER vorliegt, erheben die Menschenrechtsschützer nun schwere Vorwürfe. So habe die Polizei die Demo nicht nur verfrüht und im Widerspruch zur Versammlungsfreiheit aufgelöst, sondern dabei auch unverhältnismäßige und exzessive Zwangsgewalt ausgeübt.
Hand gebrochen
Neben der erwähnten Fixierung eines Mannes unter dem Polizeibus führt der Bericht hier unter anderem auch die Anwendung „unangebrachter Schmerzgriffe“ beim Wegtragen mehrerer Personen an, die bei einer Person auch zu einer schweren Verletzung, nämlich zu einem Bruch des Mittelhandknochens, führten.
Darüber hinaus sei der Mann unter dem Bus anschließend ohne gesetzliche Grundlage 14 Stunden festgehalten worden und einem anderen wurde – unzulässigerweise, wie auch das Verwaltungsgericht mittlerweile festgestellt hat – eine DNA-Probe entnommen.
Amnesty-Generalsekretär Heinz Patzelt dreht es angesichts dieser Vorkommnisse „den Magen um“ – speziell „in Kenntnis der Kompetenz und Professionalität der Polizei“, wie er betont. Das „Grauslichste“ seien dabei die gesetzten „Zwangsdurchsetzungsmittel schmerzhaftesten Ausmaßes“, bei denen einem Mann „ohne jeden Zwang oder Widerstand“ die Hand gebrochen wurde.
Die Fehlerkette begann nach Ansicht Patzelts freilich schon lange davor: nämlich bei der Anordnung zur Auflösung der – nicht angemeldeten – Kundgebung. Diese sei von der in diesem Fall beim Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) gelegenen Einsatzleitung gekommen. Und diese hätte wiederum „aus dem Geist des LVT heraus, wo es um die Abwehr massivster Staatsschäden geht", gehandelt – und wäre mit voller Härte gegen „harmlose Klimaaktivisten" vorgegangen.
Dabei, so Patzelt, zeige ein aktuelles Urteil des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich, dass selbst die Tatsache, dass es sich um eine spontane Blockade handelte, das Recht auf Versammlungsfreiheit nicht aushebelt.
Schlechtes Beispiel
Als grundsätzliche Ursache für den aus dem Ruder gelaufenen Einsatz ortet Patzelt jedoch die „immer noch vorhandene, wenn auch nicht überwiegende“ Einstellung, die Polizei wäre „ein Machtdurchsetzungs- und kein Menschenrechtsapparat“.
Diese wurzle wiederum im „Handeln und Vorleben durch den Mittelbau“ wie etwa der Einsatzleiter, denn: „Wir sehen oft, dass es die Polizei auch korrekt kann.“ Daher könne Fehlverhalten nicht an schlechter Ausbildung liegen, „sondern dann liegt es an einzelnen Verantwortlichen".
Zusätzlich fehle es an Fehlerkultur: „Eine Polizei, die vorgibt, fehlerlos zu sein, weil sie dann stark und unangreifbar dasteht, haben wir nicht nötig“, so Patzelt. Schließlich werde die Exekutive in der Bevölkerung größtenteils respektiert.
Kennzeichen und unabhängige Ermittlungen
Um in Zukunft eine professionelle Aufarbeitung von Vorwürfen zu gewährleisten, fordert Amnesty nun einerseits eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten, andererseits eine organisatorisch getrennte, unabhängige Ermittlungsstelle. Oder in Patzelts Worten: „Eine Polizei-Polizei außerhalb des Sicherheitsapparats.“
Beide Forderungen sind weder neu noch werden sie exklusiv von Amnesty erhoben. Eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten, wie sie in vielen Ländern bereits üblich ist, war etwa Teil des Grünen Programms für die vergangene Nationalratswahl.
Und für eine unabhängige Ermittlungsstelle plädieren unter anderem Manfred Nowak, Gründer des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte, und die Volksanwaltschaft.
Für Patzelt ist jedenfalls Handlungsbedarf gegeben. Es könne nicht sein, „dass sich irgendjemand in Österreich fürchten muss, auf eine Klimademo zu gehen, oder dass Eltern sich unwohl fühlen, wenn ihre Kinder hingehen.“
Seitens der Landespolizeidirektion Wien wollte man den Bericht unter Hinweis auf laufende Verfahren nicht kommentieren.