Chronik/Österreich

Masernausbruch in Graz: 28 Babys stationär aufgenommen

„Da sieht man erst wieder, was ein einzelner Fall auslösen kann“, überlegt Marianne Wassermann-Neuhold von der steirischen Landessanitätsdirektion: Ein Jugendlicher steckte am 11. Jänner mehrere Kinder in der Ambulanz der Kinderklinik Graz mit Masern an, nun häufen sich die gemeldeten Verdachtsfälle. So mussten zu Wochenbeginn 28 Babys stationär aufgenommen werden, weil sie als „Kontaktkinder“ gelten. Mittlerweile sind 13 Masernfälle in Graz nachgewiesen.

Masern sind tückisch. Allein die Inkubationszeit kann bis zu 21 Tage dauern, außerdem ist die Ansteckungsrate hoch: Ein Infizierter steckt durchschnittlich 18 weitere (nicht geimpfte) Menschen an.

Babys besonders gefährdet

Der betroffene 15-Jährige jedenfalls wusste nicht, dass er erkrankt war und saß stundenlang im Wartesaal unter Kindern, von denen einige noch keine Impfung hatten. Zumindest eines von ihnen dürfte danach in einer Kinderarztpraxis gewesen sein dort waren auch Eltern mit Babys, die aufgrund ihres Alters noch nicht geimpft waren. Das ist erst ab neun Monaten vorgesehen.

Die Landessanitätsdirektion befürchtet, dass dies erst der Anfang einer Masernwelle ist. „Da könnte schon noch einiges dazu kommen, weil es ja so viele Babys betrifft“, bedauert Wassermann-Neuhold. „Wir wissen ja noch nicht, wo die Kinder bisher waren, zu wem sie Kontakt hatten.“

Das muss erst über Magistrat oder Bezirkshauptmannschaften erhoben werden. Von einer „Epidemie“ sprechen die Gesundheitsbehörden noch nicht, „Masern-Cluster“ ist der derzeit gängige Begriff.

Noch müssen keine Krabbelstuben oder Kindergärten gesperrt werden, die betroffenen Babys werden vorsorglich im Spital behandelt. Die Mediziner weisen eindringlich auf die Impfungen hin: Damit sich Masern nicht verbreiten können, müssten mindestens 95 Prozent der Menschen geimpft sein. Österreichs Durchimpfungsrate liegt aber bei unter 90 Prozent. Sie sind für jede Altersgruppe kostenlos, also auch für Erwachsene.

Ministerium erinnert an Impf-Notwendigkeit

Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit, sondern eine schwere, hoch ansteckende Erkrankung. Einer von vier Erkrankten wird ins Krankenhaus eingeliefert, einer von fünf Infizierten erleidet Komplikationen wie Lungenentzündung, Bronchitis, Mittelohrentzündung oder Gehirnentzündung, hieß es am Dienstag in einer Aussendung des Gesundheitsministeriums zu den in Österreich aufgetretenen Erkrankungen.

Die Masern könnten auch bleibende Schäden oder den Tod zur Folge haben. "Erkranken Kinder unter einem Jahr an Masern, so haben sie das hohe Risiko von eins zu 600, einige Jahre später an einer speziellen Gehirnentzündung (subakut sklerosierende Panencephalitis, SSPE) zu erkranken, die tödlich endet. Zudem kommt es nach Masern zu einer über mehrere Jahre andauernden Schwächung des Immunsystems, die das Risiko erhöht, an anderen Infektionskrankheiten zu sterben", hieß es in der Aussendung.

Der in Österreich vorhandene Impfstoff gegen Masern ist ein Kombinationsimpfstoff mit Mumps und Röteln (MMR-Impfung). Entsprechend dem Impfplan Österreich 2019 werden zwei MMR-Impfungen ab dem vollendeten 9. Lebensmonat empfohlen. Fehlende MMR-Impfungen können und sollen in jedem Alter nachgeholt werden. Vollständiger Schutz kann nur angenommen werden, wenn schriftlich nachweisbar ist, dass zwei Impfungen gegen Masern vorliegen oder ein Schutz mittels einer Antikörperbestimmung (Blutabnahme) bestätigt ist. Weil es sich um einen Lebendimpfstoff handelt ist ein "Überimpfen" nicht möglich.

"Bei den Impfstellen der Bundesländer kann man sich impfen lassen, die Impfung ist für alle in Österreich lebenden Menschen kostenfrei. Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffes sind eindeutig belegt. Die Kosten für die Impfungen werden vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, den Sozialversicherungsträgern und den Ländern getragen. Die Impfung gegen Masern ist freiwillig, aber ich hoffe, dass sich viele Menschen impfen lassen," wurde Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) zitiert.

Erhöhtes Auftreten

Jahrzehntelang gab es in Österreich kaum bis gar keine Masernfälle, seit rund zehn Jahren treten sie aber wieder verstärkt auf. 2018 etwa gab es österreichweit 77 bestätigte Fälle, die meisten in Wien (45), in der Steiermark nur zwei. Heuer wurden auch aus Tirol schon zwei Fälle gemeldet, aus Salzburg sechs. Die Weltgesundheitsorganisation WHO registriert ebenfalls „erhöhte Masernaktivität“, wie es im jüngstem Bericht heißt: Von November 2017 bis November 2018 gab es in der EU 12.790 Erkrankungen und 35 Todesfälle. Die meisten Fälle gab es in Griechenland, Frankreich und Italien.

Impfpflicht im Spital

In der Steiermark gab es zuletzt 2015 Masern-Alarm im großen Stil. Eine Schwesternschülerin erkrankte daran, hatte aber zuvor Kontakt mit 170 Kindern aus der Steiermark, Kärnten und dem Burgenland. Glücklicherweise waren alle bis auf eines geimpft. Der Vorfall war jedoch Anlass, eine Impfpflicht für 14.000 Mitarbeiter mit Patientenkontakt in der steirischen Krankenanstaltengesellschaft (KAGES) festzuschreiben.

Die Richtlinie trat im Jänner 2018 in Kraft, seither wurden in der KAGES 9178 Blutabnahmen durchgeführt, um den Impfstatus der Bediensteten zu erheben. Tatsächlich war ein beachtlicher Teil dieser Gruppe ungeschützt: 2064 Personen wurden 2018 gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft, das sind 22 Prozent.

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